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Die Biogasanlage der Schweinefarm Porcina Americana hat den Betrieb gerettet. Er stand wegen der Geruchsemissionen kurz vor der Schließung.

© Dagmar Dehmer

Costa Rica und der Klimawandel (3): Eine Biogasanlage als Rettung

100 Prozent erneuerbar ist Costa Rica bereits. Aber die Wasserkraft wird im Klimawandel unzuverlässiger. Es gibt viel Interesse bei Firmen an Biogas- oder Solaranlagen.

Juan Carlos Sáenz ist ganz aus dem Häuschen. Der Geschäftsführer der Schweinefarm Porcina Americana SA in Cartago steht vor zwei in der Sonne schimmernden Domen. Das ist die bisher größte Biogasanlage Costa Ricas. Sie hat der Schweinefarm das Überleben an diesem Standort gerettet und sie ist Sáenz‘ ganzer Stolz.

Auf der Farm sind 3250 Sauen eingesperrt, deren Hauptaufgabe darin besteht, Ferkel zur Welt zu bringen. Nach drei Wochen werden die Ferkel in einen weiteren Betrieb nahe der Pazifikküste transportiert und dort bis zur Schlachtung gemästet. Dann kommen sie zurück nach Cartago ins Schlachthaus. Das Fleisch kauft einer der Anteilseigner auf, der es überwiegend in Costa Rica, aber auch in geringerem Umfang in anderen zentralamerikanischen Nachbarländern oder in Hong Kong vermarktet. In Cartago sind alles in allem zwischen 24 000 und 25 000 Tiere in langen Ställen untergebracht. Der Gestank brachte zunehmend die Nachbarn auf, und der Betrieb konnte auch die Abgasvorgaben der Regierung nicht mehr einhalten. Die Biogasanlage hat ihn gerettet. Es riecht immer noch nach Landwirtschaft, aber der Geruch ist erträglich.

Juan Carlos Sáenz ist der Geschäftsführer des Schweinezuchtunternehmens. Er hat noch viele neue Ideen.
Juan Carlos Sáenz ist der Geschäftsführer des Schweinezuchtunternehmens. Er hat noch viele neue Ideen.

© Dagmar Dehmer

Es hat mehr als fünf Jahre gedauert, bis das Vorhaben umgesetzt war. Seit Mai läuft die Anlage. Sáenz erzählt, dass er zunächst mit einem belgischen Partner zusammen gearbeitet hat. Aber bis zum Bau sind sie nicht gekommen. Sáenz wandte sich schließlich an die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), weil er nicht mehr weiter wusste. Die meisten Biogasanlagen in Costa Rica sind klein, oft selbst gebaut. Die GIZ ließ das Substrat – also das Gemisch aus Gülle, Mist, Blut aus dem Schlachthaus und anderen organischen Resten – beim Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig analysieren, um die Anlage richtig konzipieren zu können. Solche Laborleistungen sind in Costa Rica bisher nicht zu haben. Sie werden aber noch für ein anderes Projekt gebraucht, an dem die GIZ beteiligt ist: Die gewaltig angewachsene Ananas-Produktion an der Atlantikküste Costa Ricas produziert große Mengen von Pflanzenabfällen, die problematisch zu beseitigen sind. Auch da hofft die GIZ, dass Biogasanlagen eine Lösung sein könnten.

Die Jungsauen haben etwas mehr Bewegungsspielraum als die Sauen, die die Ferkel werfen sollen. Der Versuch einer Freilandhaltung ist nach Sáenz Angaben vor allem an den Kunden gescheitert: "Denen war das Fleisch zu hart."
Die Jungsauen haben etwas mehr Bewegungsspielraum als die Sauen, die die Ferkel werfen sollen. Der Versuch einer Freilandhaltung ist nach Sáenz Angaben vor allem an den Kunden gescheitert: "Denen war das Fleisch zu hart."

© Dagmar Dehmer

Der Pionier Juan Carlos Sáenz steht jetzt auf dem Hügel mit den zwei Domen und redet leidenschaftlich vom Generator, „den ich nicht höre, wenn ich im Büro bin. So leise ist der“. Der komme „natürlich aus Deutschland“. In Costa Rica ist der VW-Skandal offenbar noch nicht angekommen. Dort ist die Begeisterung für „Made in Germany“ noch ziemlich ungebrochen. Sáenz bedauert, dass sie die Anlage nicht noch größer geplant haben. Der Generator ist zu klein, um all das Gas, das inzwischen erzeugt wird, zu Strom zu machen. Ein Teil des Gases geht deshalb verloren. Sáenz kann sich zwar vorstellen, auch Gas abzufüllen zum Kochen, aber dafür bräuchte er eine Kompressionsanlage. Eine Investition, die er sich gerade nicht leisten kann.

Sáenz hat noch viele Ideen

Denn die Biogasanlage hat schon 1,5 Millionen US-Dollar gekostet. Er musste für den Anschluss ans Stromnetz bezahlen, und auch das Abwasserreinigungssystem musste modernisiert werden. Die Absetzteiche nehmen fast die Hälfte der Fläche des Betriebs ein. Aber am Ende kommt eine Wasserqualität dabei heraus, die der Betrieb in die Flüsse leiten darf. „Das Wasser ist klar und geruchlos“, sagt Sáenz. Aus den trockenen Überresten würde er gerne Dünger machen. Doch auch diese Investition wird noch warten müssen. Ebenso wie eine Knochenmühle, mit der die Knochen aus der Schlachterei zu Tiermehl verarbeitet werden könnten. Das Tiermehl könnte in der Biogasanlage wiederum zu Gas und Strom werden. Derzeit werden die Knochen auf dem Gelände vergraben. Zur großen Freude der Geier, die dort zu Dutzenden sitzen und sich die Bäuche vollschlagen.

"Wir verschenken den Strom"

Es gibt nur eines, was Sáenz richtig ärgert. „Wir haben für die Leitungen ins Stromnetz bezahlt, aber wenn wir Überschussstrom haben, schenken wir ihn dem staatlichen Stromversorger“, berichtet er. Und lacht nicht allzu fröhlich.

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Da ist Santiago Aguilar, Manager des Fußballvereins LD Alajuelense, besser dran. LDA ist der Dauer-Meister Costa Ricas:  29 Mal hat LDA die Meisterschaft schon gewonnen, „im Dezember wollen wir den 30. Titel feiern“, sagt Aguilar. Die Solaranlage auf dem Stadiondach jedenfalls speist den ganzen Tag über Strom ins öffentliche Netz ein. Und wenn Abends die Flutlichtanlage gebraucht wird, bezieht der Verein den Strom aus dem Netz. Der Stromzähler des Vereins läuft vorwärts und rückwärts. Das Ergebnis befriedigt Santiago Aguilar sehr: Die Stromrechnung des Vereins sank von 20 000 US-Dollar im Monat auf 4000 Dollar, und wenn der letzte Teil der Solaranlage in Kürze in Betrieb genommen wird, hofft er sogar auf eine Stromrechnung von 1000 Dollar im Monat.

Die Solaranlage hat den Verein saniert

Dass die Stromrechnung so gewachsen war, verdankte der Fußballverein der südamerikanischen Regionalorganisation des Weltfußballverbands Fifa, Conacacaf. Für ein U-17-Frauen-Turnier musste LDA die Flutlichtanlage aufrüsten. „Was wir nicht bedacht hatten, war wie teuer das für uns werden würde“, erzählt Aguilar.
So einen Stromzähler, der in beide Richtungen läuft, wünscht sich Juan Carlos Sáenz auch. Aber er bekommt ihn nicht. Denn das Solarprojekt von LDA war eines der letzten in einem Programm, mit dem der Ausbau erneuerbarer Energien von Unternehmen gefördert worden ist. Mehr als 15 Prozent der Stromproduktion durfte es nicht sein. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Der staatliche Stromversorger will kein Geschäft verlieren. Denn aktuell hat Costa Rica zu viel Strom. Die installierte Kapazität ist knapp doppelt so groß wie die höchste Nachfrage in wenigen Stunden des Jahres. Und exportieren kann Costa Rica derzeit nur wenig Strom, weil die Nachbarländer Nicaragua und El Salvador „die Überlandleitungen für das zentralamerikanische Stromnetz mehr als zur Hälfte für ihre eigenen Zwecke nutzen“, sagt die Umweltstaatssekretärin Irene Canas.

Das 100-Prozent-Land

100 Prozent erneuerbar erzeugten Strom hat Costa Rica in diesem Jahr fast das ganze Jahr über zur Verfügung gehabt. Ein Großteil des Stroms wird mit Wasserkraftwerken erzeugt. Aber wegen des Klimawandels haben sich die Regenfallmuster verändert. Speziell in diesem El-Nino-Jahr ist der Nordwesten des Landes extrem trocken. An der Atlantikküste dagegen hat es mehr geregnet. Deshalb ist die Bilanz in diesem Jahr auch positiv. Aber auf längere Sicht will Costa Rica den Energiemix verändern, und auch andere erneuerbare Energiequellen mit einbinden.

Die Autorin hat sich auf Einladung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Costa Rica aufgehalten.

Weitere Texte zu Costa Rica und den Klimawandel finden Sie hier: Kleines Land, große Rolle. Und: Wo der Meeresspiegel steigt, wächst das Risiko.

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