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Xi Jinping könnte auf dem 19. Parteitag der KP Chinas einen ähnlichen Status erhalten, wie ihn zuvor nur der „Große Vorsitzende“ Mao Zedong innehatte.

© Greg Baker/AFP

China vor dem Parteitag: Staatschef Xi Jinping: Mächtig oder sehr mächtig

Auf den Spuren Mao Zedongs: Der 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas wird wohl zur großen Show von Staatschef Xi Jinping - und eine Machtdemonstration.

Wenn in Peking auf Hotelfenstern Zettel mit der Aufschrift kleben: Es ist verboten, in der kommenden Woche die Fenster zu öffnen. Wenn die Internetverbindungen in der chinesischen Hauptstadt noch langsamer werden als ohnehin schon und die virtuellen Tunnel zur Umgehung der Internetzensur nur noch selten funktionieren.

Wenn ein Menschenrechtsanwalt wie Yu Wensheng Besuch von der Staatssicherheit bekommt mit der dringenden „Bitte“, in den nächsten Tagen keine Interviews zu geben. Und wenn andere Regimekritiker wie Hu Jia oder Bao Tao „auf Reisen gehen“ müssen, das heißt, sie werden die kommenden Tage gut bewacht in einem Gästehaus der Regierung in irgendeiner weit entfernten Provinz verbringen. Dann sind wieder fünf Jahre vergangen und die in Sicherheitsfragen paranoide Kommunistische Partei Chinas trifft sich erneut in Peking zum Parteitag.

Entscheidungen abnicken

Ab Mittwoch bestimmen rund 2300 Delegierte aus den 83 Millionen Parteimitgliedern die politischen Geschicke der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Oder besser, sie werden auf dem 19. Parteitag die wichtigsten Punkte abnicken. Denn viele Entscheidungen sind von Staats- und Parteichef Xi Jinping und seinem engsten Zirkel längst getroffen worden, etwa im Sommer in Beidaihe am Ostchinesischen Meer.

Eine wirkliche Aussprache und Diskussion gibt es kaum. „Der Parteitag ist eine Maschine der Ja-Sager“, erklärt der Hongkonger China-Experte Willy Lam den autoritären Führungsanspruch der KP China. Der Parteitag ist vor allem eine große Show, die eine Woche lang für Hunderte von Journalisten und für die Bevölkerung in der Großen Halle des Volkes auf der Westseite des Tiananmenplatzes aufgeführt wird.

Trotz der Intransparenz des politischen Systems Chinas bietet das Pekinger Treffen einige Informationen. Hier lassen sich die Machtverhältnisse innerhalb der Partei zumindest erahnen. Und die gerade aktuellen politischen Leitlinien sind zu erkennen. China-Experten zählen dafür beispielsweise, wie oft ein ideologischer Begriff wie „Marxismus und die Denkweise Mao Zedongs“ im Politischen Bericht Erwähnung findet und vergleichen das mit vergangenen Berichten. Der Politische Bericht, mit dem Xi Jinping am Mittwoch den Parteitag eröffnet, gibt auch Hinweise, welche Themen in den nächsten fünf Jahren wichtig werden. Und vor allem wie machtvoll der Parteichef inzwischen geworden ist: nur mächtig oder sehr mächtig?

Eine "Krönungsmesse"

„Der Parteitag wird die Krönungsmesse für Xi Jinping“, sagt Willie Lam. Vor fünf Jahren war der zu den „Prinzlingen“ zählende Xi – so werden die Söhne und Töchter einflussreicher Parteifunktionäre genannt – zum wichtigsten Mann Chinas aufgestiegen. Er stärkte Macht und Kontrollfunktion der KP, zentralisierte Entscheidungsfindungen und häufte zahlreiche Ämter an.

Konkurrenten schaltete er mithilfe einer gewaltigen Antikorruptionskampagne aus, wichtige Posten besetzte er mit seinen Vertrauten neu. Von einer Opposition in der Partei ist derzeit nichts bekannt, allerdings wird dem Schanghai-Flügel um den ehemaligen KP-Chef Jiang Zemin weiterhin etwas Einfluss zugeschrieben.

Xi Jinping baute auch das einflussreiche Militär um. Wie sehr, zeigt sich allein schon dadurch, dass 90 Prozent der Volksarmee-Delegierten zum ersten Mal einen Parteitag besuchen. Wer nicht mehr dabei ist, ist raus aus der politischen Gunst. Darunter befindet sich auch Generalmajor Mao Xinyu, der eher nichtsnutzige und oftmals belächelte Enkel des Staatsgründers und „Großen Vorsitzenden“ Mao Zedong.

Auf die Reihenfolge kommt es an

Dessen Titel als „Vorsitzender“ könnte der aktuelle „Generalsekretär“ Xi Jinping auf diesem Parteitag ebenfalls anstreben. Auch könnte die „Xi-Jinping-Denkweise“, in deren Zentrum der „chinesische Traum“ steht, in der Parteiverfassung verankert werden. „Das wäre die höchste Ehre, Xi Jinping hätte dann fast denselben Status wie Mao Zedong und wäre der zweitmächtigste Führer in der Geschichte der Volksrepublik“, schreibt der US-Politikwissenschaftler David Shambaugh.

Gut bewacht ist der Tagungsort am Tiananmen-Platz in Peking.
Gut bewacht ist der Tagungsort am Tiananmen-Platz in Peking.

© Aly Song/Reuters

Es wird sich wohl auch zeigen, ob Xi Jinping mit der Tradition seiner Vorgänger Hu Jintao und Jiang Zemin brechen wird und mehr als zehn Jahre der Partei vorstehen will. Das wird zwar erst auf dem 20. Parteitag im Jahr 2022 geschehen, doch andernfalls müssten die Weichen für einen Nachfolger schon beim aktuellen Treffen gestellt werden.

Dazu müsste ein etwas jüngerer Parteifunktionär wie Chen Min’er (Jahrgang 1960) oder Hu Chunhua (Jahrgang 1963) in den Ständigen Ausschuss des Politbüros gewählt werden. Dieses besteht aus den sieben mächtigsten Männern Chinas – eine Frau ist nicht darunter.

Der erste Auftritt des neuen Ständigen Ausschusses im Anschluss an den Parteitag birgt auch ein wenig Spannung: Die Reihenfolge, in der die Funktionäre durch die Tür vor die Presse treten, lässt auch auf die internen Machtverhältnisse schließen. Transparenter wird es allerdings nicht mehr, das autoritäre politische System Chinas.

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