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Ihre Jungs - oder zu Gast bei Freunden: Angela Merkel besucht die SPD-Fraktion.

© dpa

CDU und SPD in der großen Koalition: TTIP, VDS, Griechenland: die Christdemokratisierung der SPD

Ob Vorratsdaten, TTIP, Griechen- oder Russland: In der großen Koalition christdemokratisiert sich die SPD. Die Geschmeidigkeit der Genossen lässt selbst die Kanzlerin standhaft wirken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die Sozialdemokratisierung der Union ist erforscht. Ob Mindestlohn oder Mietpreisbremse, Energiewende oder Rente mit 63, Abschaffung der Wehrpflicht oder Entlastung von Alleinerziehenden: Viele konservative Konturen wurden geschleift, und in regelmäßigen Abständen reiben sich die Kommentatoren verwundert die Augen darüber, dass eine Partei, die am laufenden Band ihren Markenkern knackt, in Umfragen konstant bei über 40 Prozent liegt. Zur Begründung wird dann die Beliebtheit von Angela Merkel herangezogen, der unterideologisierten Übermutter, ohne die bei der Union angeblich nichts mehr laufen würde.

Weitaus weniger Aufmerksamkeit hat bislang die Christdemokratisierung der SPD erhalten. Dabei darf als Faustregel gelten: Die Kröten, die von CDU/CSU vor allem in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik geschluckt wurden und werden, verspeisen die Genossen genüsslich in der Außen- und Sicherheitspolitik. Das jüngste Beispiel liefert die Wende von Justizminister Heiko Maas zur Vorratsdatenspeicherung. Doch auch auf anderen Gebieten ist die Vermerkelung von Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann weit fortgeschritten.

Wer zum Beispiel zu TTIP, dem transatlantischen Freihandelsabkommen, wirklich euphorische Reden hören will, muss nicht etwa zur Atlantik-Brücke oder zum Aspen-Institut gehen, sondern auf einen SPD-Parteikonvent. Denn keiner legt sich für das Projekt derart leidenschaftlich ins Zeug wie der Bundeswirtschaftsminister. Kritiker aus den eigenen Reihen bekommen Gabriels Zorn rasch zu spüren, weil dieses Projekt eng mit seiner Person verknüpft sei, wie er immer wieder sagt. Fraktionschef Oppermann unterstützt ihn dabei. Parteiinterne Debatten über TTIP charakterisiert er gelegentlich als „komplett irre“.

In Bezug auf Russland bleibt Steinmeier beinhart

Auch bei Griechenland ist manchmal nur schwer zu unterscheiden, ob da gerade Finanzminister Wolfgang Schäuble spricht oder eben Oppermann. Die SPD verliere angesichts des gemächlichen Tempos bei den Reformversprechen die Geduld mit der Regierung von Alexis Tsipras, lässt Oppermann die Öffentlichkeit wissen und wirft Tsipras Verschleppung sowie dessen Finanzminister Yanis Varoufakis „Zickzack-Manöver“ vor. Es sei völlig richtig, in der Sache Klartext zu reden, meint der SPD-Fraktionschef, die persönlichen Angriffe aus Athen auf Schäuble seien indiskutabel.

Was Maas zur Vorratsdatenspeicherung, Gabriel zu TTIP und Oppermann zu Griechenland, ist Steinmeier in Bezug auf Russland. In Sachen Ausschluss von Wladimir Putin vom G-7-Gipfel in Deutschland bleibt der ehemalige Intimus von Gerhard Schröder hart. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim gebe es dazu keine Alternative, sagt er. „Der Weg zurück zu G8 führt über die Achtung der Einheit der Ukraine und die Umsetzung der russischen Verpflichtungen aus der Minsker Vereinbarung.“

Und sonst? Nicht lange ist es her, da Gabriel der Kanzlerin wegen der NSA-Affäre vorwarf, ihren Amtseid gebrochen zu haben. Heute klingt das bei der SPD wesentlich milder: Den amerikanischen Geheimdienstenthüller Edward Snowden als Zeugen nach Deutschland zu holen, sei unverantwortbar. Wer das fordere, wolle bloß den Konflikt mit den USA eskalieren lassen.

Angesichts von so viel programmatischer Geschmeidigkeit wirkt selbst die anpassungsfähige Kanzlerin seltsam standhaft.

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