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Die Flagge Kaliforniens.

© picture alliance / dpa

"Calexit": Sonnige Separatisten: Kalifonier streben nach Unabhängigkeit

Kalifornien, so glauben die sonnigen Separatisten, ist das bessere Amerika. Und wäre ohne den Rest der USA besser dran.

In Kalifornien ist alles besser: das Wetter, der Wein, das Meer. Kalifornien hat Hollywood, Silicon Valley, mehr Milliardäre als jeder andere US-Bundesstaat und wäre als unabhängiger Staat die sechststärkste Volkswirtschaft der Welt. Und Kalifornien hat die Nase voll vom Rest der USA – jedenfalls, wenn man den diversen Gruppen glauben kann, die eine Loslösung des Westküstenstaates vom Rest Amerikas befürworten. Der Brexit, aber mehr noch der Einzug des Rechtspopulisten Donald Trump ins Weiße Haus befeuert die Sehnsucht der liberalen Kalifornier nach dem „Calexit“. Kalifornien, so glauben die sonnigen Separatisten, ist das bessere Amerika. Und wäre ohne den Rest der USA besser dran.

Die „National-Partei Kalifornien“ (CNP) ist eine der Gruppen, die sich für die Unabhängigkeit des Staates mit seinen knapp 40 Millionen Menschen einsetzen. „Der Wahlsieg von Donald Trump hat Millionen von Kaliforniern klargemacht, wie grundsätzlich wir uns in politischer und sozialer Hinsicht von der großen Mehrheit der Amerikaner unterscheiden“, heißt es auf der Internetseite der Partei. An diesem Wochenende laden die Separatisten zu ihrem Parteitag in Santa Monica ein, wo CNP-Chef Theo Slater seine Strategie erklären will, die sich an den friedlichen Separatisten-Bewegungen in Schottland und Katalonien orientiert.

Rund ein Drittel aller Kalifornier befürwortet laut Meinungsumfragen derzeit die Abspaltung. Das ist noch längst keine Mehrheit, doch wesentlich mehr als die 20 Prozent Unterstützung, die vor einem Jahr registriert wurde. Der Grund dafür hat einen Namen, wie der Kolumnist Thomas Elias kürzlich in der Zeitung „Napa Valley Register“ schrieb: „Präsident Trump.“ Bei der Wahl im vergangenen November gingen mehr als 61 Prozent der kalifornischen Wählerstimmen an Hillary Clinton, während sich Trump mit gut 31 Prozent zufrieden geben musste. Die 55 Wahlmänner des Bundesstaates fielen an Clinton, doch das nützte ihr am Ende nichts.

„Yes California“

Das Wahlmännersystem ist einer der Gründe für den kalifornischen Unmut. Obwohl Kalifornien mehr Einwohner hat als ganz Kanada, verfügt eine Handvoll konservativer Südstaaten über ebensoviel Macht bei der Bestimmung des Präsidenten wie der Sonnenstaat an der Westküste. Der finanzielle Lastenausgleich zwischen reichen und armen Bundesstaates sorgt ebenfalls für Unmut. Als Wirtschaftsgigant ist Kalifornien ein Nettozahler, der kleinere und wesentlich konservativere Bundesstaaten durchfüttern muss – so sehen es jedenfalls die Separatisten. Warum sollen kalifornische Steuergelder für den Bau von Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko ausgegeben werden, fragt die CNP.

„Yes California“ ist eine weitere Gruppe, die eine Scheidung zwischen Kalifornien und dem Rest der USA befürwortet. Die Initiative will im kommenden Jahr eine Volksabstimmung über die Loslösung ansetzen und muss bis Ende Juli knapp 600.000 Unterschriften sammeln, wenn sie ihr Vorhaben umsetzen will. Eine diplomatische Vertretung des künftigen neuen Staates ist bereits eröffnet: „Yes California“-Chef Louis Marinelli eröffnete im Dezember eine „Botschaft der Unabhängigen Republik Kalifornien“ in Moskau.

In Kalifornien selbst leisten 8000 Freiwillige unterdessen für „Yes California“ Überzeugungsarbeit bei ihren Mitbürgern, doch ob die Zielmarke erreicht werden kann, ist unsicher. Es hat schon viele Versuche gegeben, aus Kalifornien einen eigenen Staate zu machen. Alle sind gescheitert.

Eine unlösbare Verbindung der Bundesstaaten

Selbst wenn „Yes California“ Erfolg hat und die Kalifornier im kommenden Jahr für die Unabhängigkeit stimmen, ist keineswegs sicher, dass dann der Weg zur staatlichen Eigenständigkeit frei ist. Nicht nur die Erinnerung an den blutigen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 macht den Separatismus für viele Amerikaner zu einem Tabu. Selbst die Möglichkeit einer friedlichen Loslösung eines Staates aus der Union ist heftig umstritten. Das US-Verfassungsgericht stellte in einem Urteil im Jahr 1869 fest, die Vereinigten Staaten seien eine unlösbare Verbindung der Bundesstaaten – doch die „Calexit“-Anhänger argumentieren, das Urteil verbiete lediglich eine Trennung mit militärischen Mitteln.

Ohnehin sind die Kalifornier nicht allein mit ihren Anwanderungsgedanken. In Texas, jenem Bundesstaat, in dem es in dem Urteil von 1869 ging, fordern konservative Gruppen die Abspaltung, weil sie keine Homosexuellen-Rechte akzeptieren wollen. Auch im kleinen Bundesstaat Vermont im Nordosten Amerikas und auf Hawaii rumort es.

Die dürftigen Erfolgsaussichten ihres Unternehmens schreckt die kalifornischen Nationalisten aber nicht ab. Ein unabhängiges, liberales Kalifornien müsse sich sich nicht mehr von rechtsgerichteten „Tyrannen“ herumkommandieren lassen, schrieb CNP-Sprecher Jay Rooney in einem Beitrag für das Nachrichtenportal „Berkeleyside“.

Jede neue Empörung über Trump ist deshalb Wasser auf die Mühlen der Separatisten. Kaliforniens Justizminister Xavier Becerra sagte kürzlich der „New York Times“, er sei dankbar, dass die Abtrennung einzelner Bundesstaaten rechtlich so schwierig sei – denn eine Republik Kalifornien würde Einwanderer aus dem Rest der USA anziehen: „Wenn Kalifornien unabhängig würde, stünden sofort bis zu 280 Millionen Menschen an der Tür und wollten Visa.“

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