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Bundesverfassungsgericht: Transsexuelle dürfen verheiratet sein

Transsexuelle müssen sich nicht scheiden lassen, wenn sie ihr Geschlecht geändert haben. Die entsprechende Passage im Transsexuellengesetz (TSG) ist verfassungswidrig, hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch entschieden.

Damit ist der Weg frei für die erste gleichgeschlechtliche Ehe nach bürgerlichem Recht in Deutschland. Wer sein Geschlecht umwandeln lässt, darf dem TSG zufolge nicht verheiratet sein, wenn er sich personenstandsrechtlich neu als Frau oder Mann anerkennen lassen will. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber verhindern wollen, dass Männer mit Männern und Frauen mit Frauen in Deutschland gültige Ehen führen. Zwar führt in den meisten Fällen spätestens eine Geschlechtsoperation ohnedies zum Bruch der Ehe, wie Betroffenenverbände in Karlsruhe jedoch ausführten, gebe es immer wieder Paare, die zusammenbleiben möchten. Für sie blieb bislang nur die Wahl, auf die rechtliche Anerkennung zu verzichten oder Scheidungsgründe vorzutäuschen und die Ehe formal auflösen zu lassen.

Dies könne die Betroffenen unzumutbar belasten, urteilten jetzt die Verfassungsrichter. Der im Endeffekt eintretende Scheidungszwang verstoße gegen das Ehegrundrecht. Darauf könnten sich auch Männer und Frauen berufen, wenn sie ihre Transsexualität erst während der Ehe entdeckt oder ausgelebt hätten. Die Partner seien die Ehe unterschiedlichen Geschlechts eingegangen und hätten einen Anspruch darauf, dass ihr Schutz auch jetzt noch fortwirke.

Der betroffene Mann, ein 1929 geborener Berliner, ist seit 56 Jahren verheiratet und hat mit seiner Frau drei Kinder. 2001 legte er sich einen Frauennamen zu und ließ sich ein Jahr später operieren. Als er sein neues Geschlecht eintragen lassen wollte, legte das Amtsgericht Berlin-Schöneberg den Fall den Verfassungsrichtern vor. Dort trug der Mann vor, er sei selbst sei von Geburt an eine Frau im männlichen Körper gewesen. Seine Ehe sei durch seine in der Hitlerzeit erlebten Traumatisierungen extrem belastet gewesen. Seine Ehefrau habe als einziger Mensch seine innere Einsamkeit durchbrechen können und seine Nöte mit ihm geteilt. Seit er als Frau lebe, habe sich die Beziehung in eine „gleichgeschlechtliche Wohngemeinschaft“ gewandelt. Beide seien miteinander alt und reif und füreinander als Lebenspartnerinnen unersetzlich geworden.

Die Verfassungsrichter erklärten, der Schutz der Ehe als Rechtsinstitut nur für Mann und Frau sei zwar von „hohem Gewicht“. Allerdings führe die Regelung im TSG Betroffene in eine „tiefe, als existenziell erfahrene Krise“. Zudem sei nur eine geringe Zahl von Ehen betroffen. Der Gesetzgeber könne dies so zulassen oder Ehen mit Transsexuellen als Eingetragene Partnerschaften – sogenannte Homo-Ehen – ausgestalten. Dann aber nur mit den vollen Rechten der bürgerlichen Ehe, hieß es. Jost Müller-Neuhof

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