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Europafahne auf einem Turm des Reichstags in Berlin.

© picture alliance / dpa

Bundestagswahl: Europa als Sprungbrett

Bei der Wahl am 24. September zieht es auffällig viele Abgeordnete aus Straßburg in den Bundestag. Die EU gilt weniger denn je als politische Endstation.

Das Europaparlament wird in diesem Jahr verstärkt zum Sprungbrett für deutsche Politiker, die in die nationale Politik streben. Wo früher noch das Motto „Hast du einen Opa, dann schick’ ihn nach Europa“ galt, lässt sich mit Blick auf die Kandidaturen mehrerer EU-Abgeordneter für den Bundestag festhalten: Wer in Brüssel etwas wird, kann auch in Berlin etwas werden.

Das prominenteste Beispiel für diese Entwicklung ist SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Der SPD-Chef gehörte dem Europaparlament 23 Jahre an, bevor er sich im Januar mit dem damaligen Parteichef Sigmar Gabriel darauf verständigte, die Kanzlerkandidatur zu übernehmen. Zuvor hatte sich abgezeichnet, dass Schulz – anders als von ihm geplant – in Brüssel keine dritte Amtszeit als EU-Parlamentschef erwarten konnte. Schulz kandidiert jetzt für den Bundestag auf dem ersten Platz der NRW-Landesliste der SPD.

Europa-Thema als Möglichkeit zur Profilierung

Der Europaexperte Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik „European Policy Centre“ hält es nicht für einen Zufall, dass neben Schulz noch weitere Europaabgeordnete für den Bundestag kandidieren: die FPD-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff und Michael Theurer, der Linken-Politiker Fabio De Masi und die AfD-Vertreterin Beatrix von Storch. „Das Thema Europa war in den vergangenen Jahren auf nationaler Ebene wesentlich präsenter“, sagt Emmanouilidis. Dies habe auch den EU-Parlamentariern die Möglichkeit gegeben, sich stärker zu profilieren. Vor allem Schulz habe als EU-Parlamentschef davon profitiert.

Als interner Gegenspieler des SPD-Mannes Schulz galt im Europaparlament jahrelang der CDU-Abgeordnete Herbert Reul. Auch Reul hat in diesem Jahr den Weg in die nationale Politik angetreten. Der damalige Chef der deutschen CDU-Abgeordneten im Europaparlament, der im vergangenen Jahr lautstark Schulz’ Ambitionen auf eine Verlängerung des Mandats als EU-Parlamentschef kritisierte, wurde nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vom Mai zum Innenminister in Düsseldorf ernannt.

Zwei FDP-Schwergewichte stehen bereit

Zwar treten Europaabgeordnete immer wieder den Weg in die nationale Politik an. Vor allem die Grünen, etwa die frühere Parteichefin Claudia Roth, nutzten das Europaparlament als Karriere-Sprungbrett zum Bundestag. Allerdings gibt es bei dieser Wahl auffällig viele EU-Abgeordnete, die künftig auf der Berliner Bühne Politik machen wollen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich die FDP nach ihrem Debakel von 2013 aller Voraussicht nach wieder im Bundestag und möglicherweise auch in der Regierung zurückmelden wird. Der als ministrabel geltende Lambsdorff und Theurer hatten an der Neuaufstellung der FDP vor der Wahl am 24. September wesentlichen Anteil. Beide haben sichere Listenplätze: Lambsdorff kandidiert auf Platz 3 der NRW-Landesliste, Theurer auf Platz 1 der Liste in Baden-Württemberg.

Bei ihrem Abschied aus Brüssel ziehen sie in der Wortwahl eine unterschiedliche Bilanz: Lambsdorff ist angesichts der großen EU-Themen wie der Flüchtlingspolitik und der grenzüberschreitenden Terrorbekämpfung der Ansicht, „dass die Probleme größer sind als die Lösungen, welche die nationalen Regierungen bislang zu Stande gebracht haben“. Theurer zeigt sich indes angesichts des Krisenmanagement auf EU-Ebene ernüchtert: „Die europäische Idee liegt am Boden.“ Einig sind sich beide indes darin, dass eine größere Verzahnung zwischen europäischer und nationaler Ebene in der Politik nötig sei.

Pendelei zwischen vier Orten hat ein Ende

Ein profilierter Europapolitiker wird auch mit Fabio De Masi in den Bundestag einziehen, der auf Platz 1 der Linken-Landesliste in Hamburg kandidiert. Die Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, habe ihn gefragt, ob er nicht seine finanzpolitische Expertise in Berlin einbringen wolle, erzählt De Masi. Für ihn hat der absehbare Einzug ins Parlament auch noch einen angenehmen Nebeneffekt: Die aufreibende Pendelei zwischen Brüssel, Hamburg, Berlin und Nordrhein-Westfalen hat ein Ende.

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