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Manche sind Merkel-Fans, andere würden die CDU keinesfalls wählen.

© imago/Jens Jeske

Bundestagswahl 2017: Wenn Flüchtlinge wählen würden

Ohne Staatsbürgerschaft haben sie kein Stimmrecht. Eine politische Meinung haben sie dennoch.

Am Sonntag sind Millionen Bürger aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Aber nicht jeder, der in Deutschland lebt, darf seine Stimme abgeben. Wahlberechtigt ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, das 18. Lebensjahr vollendet und seit mindestens drei Monaten seinen Hauptwohnsitz in der Bundesrepublik hat. Flüchtlinge gehören nicht dazu. Aber wenn sie dürften: Wen würden sie wählen?

Viele Flüchtlinge haben tatsächlich eine Vorliebe für „Merkels Partei“, wie sie die CDU nennen. Angela Merkel kannten sie, noch bevor sie irgendetwas anderes über Deutschland wussten. Die Kanzlerin hat ihnen geholfen, nach Deutschland zu kommen. Bis heute sind sie ihr dafür dankbar. „Merkel hat uns aufgenommen und geholfen. Die Politiker in den arabischen Ländern haben das nie getan“, sagt etwa Hashem Kalefa aus Libyen. Er würde die CDU wählen, obwohl sein Asylantrag abgelehnt wurde. Er weiß zurzeit nicht, ob er mit seinem Kind bleiben darf oder nicht. Er weiß nur, dass er seine Frau und Tochter, die noch in Libyen sind, nicht nachholen darf. Dankbar ist er dennoch.

"Willkommenskultur" nur Schein

Andere sind kritischer. Sie sind enttäuscht, weil sie nach ihrer Ankunft in Deutschland nicht mehr vorankommen. Das Versprechen der „Willkommenskultur“ hatte sie angezogen. Jetzt erweist es sich als leer. „Wir stecken fest in Deutschland“, sagt etwa der irakische Künstler Akil, der seit drei Jahren in Leipzig lebt. Er fragt sich, warum Merkel die „Tür“ geöffnet habe, wenn doch nicht alle das Aufenthaltsrecht und die Chance auf einen Neuanfang bekämen. Dabei sei doch offensichtlich, dass viele nicht in ihre Heimat zurückkönnten, weil es zu gefährlich sei. Auch könnten sie nicht weiterziehen. Deutschland erweise sich als Sackgasse.

Alles in allem bereut Akil, wie viele andere, die seit längerer Zeit in Deutschland leben, aber keinen Aufenthaltsstatus erhalten, seine Flucht nach Deutschland. Er wäre lieber woandershin geflüchtet. Seine Stimme würde er nicht der CDU geben. Eher der SPD.

Auch Henedi Almmame, der seit 15 Jahren in Deutschland geduldet ist, würde die CDU auf keinen Fall wählen, stattdessen vielleicht die FDP. Almmame kennt die Wahlprogramme der Parteien sehr gut. Die Politik der offenen Grenzen im Herbst 2015 hält er für einen großen Fehler. Auf die Flüchtlingswelle sei der Hass auf alle Flüchtlinge gefolgt. Angela Merkel ist aus seiner Sicht dafür verantwortlich, dass Flüchtlinge, die früher mehr respektiert worden seien, nun Opfer von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit würden.

"Politik verursacht Streit"

Der libanesische Journalist Waled Elzen, der seit fast vier Jahren in Leipzig lebt, würde hingegen die AfD oder die NPD wählen. Weil sie für Deutschland und die Deutschen arbeiteten, sagt er. Waled ist unzufrieden, möchte bald mit seiner Familie in seine Heimat zurückkehren, wo er als politischer Journalist tätig war. Hier in Deutschland hat er ein Praktikum bei der SPD gemacht. Bis heute hat er keine Aufenthaltserlaubnis.
Und dann sind da noch die Flüchtlinge, die von der Politik enttäuscht sind und sich von allen Parteien abgewandt haben. Rechts oder links, Partei x oder y, das interessiert sie nicht. „Politik bringt nur Ärger“, sagt etwa Mohammed al Naid, der vor zwei Jahren aus Syrien geflüchtet ist.

Das ist die Erfahrung, die er aus seiner Heimat mitgebracht hat. „Ich würde gar nicht wählen, weil Politik immer Streit verursacht“, sagt er. In Syrien habe er viele Freunde aus politischen Gründen verloren. Familien seien auseinandergebrochen, weil sie politisch auf unterschiedlichen Seiten standen: für Assad oder gegen Assad. Er sei jedoch froh, dass die Konflikte in Deutschland mit politischen Argumenten und nicht mit Waffen ausgetragen würden. Für viele bleibt es dennoch eine wichtige Frage, ob sie künftig in Deutschland wählen dürfen. Zumindest für diejenigen, die länger hier leben. Henedi Almmame darf auch nach 15 Jahren, die er jetzt schon in Deutschland verbracht hat, nicht wählen – weil er immer noch ein Flüchtling ist.

Tarek Khello

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