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Alle Hände voll zu tun hatten die Helfer bei Bundestagswahl und Volksabstimmung. IT-Pannen und Missverständnisse führten zu ungültigen Stimmen und Verzögerungen.

© Kai-Uwe Heinrich

Bundestag und Tegel: Pannenwahlen in Berlin

IT-Absturz, ungültige Stimmen, bundesweit Letzter bei der Auszählung: Berlins Landeswahlleiterin nimmt die Pannen gelassen.

Die Probleme zeichneten sich schon früh ab: Als Gabriele Hohlfeldt und ihre Charlottenburger Wahlhelferkollegen am Sonntag um 14:30 Uhr begannen, die roten Briefwahlumschläge zu öffnen, fielen ihnen Zettel entgegen. Abstimmungszettel für den Volksentscheid, um genau zu sein. Die hätten aber zusammen mit dem Wahlzettel zur Bundestagswahl in dem inneren, blauen Umschlag liegen müssen. Alleine von den 1190 Stimmen auf Hohlfeldts Tisch waren damit 178 ungültig.

Gabriele Hohlfeldt bedauert den unnötigen Verlust an Stimmen. „Für mich ist es so: Wenn etwas in einem zugeklebten Umschlag liegt, dann sollte es auch gültig sein“, sagt die ehrenamtliche Wahlvorstehende. Ihre Befürchtung: Bei kommenden Volksentscheiden könnten ähnlich viele Stimmen verloren gehen. „Ich habe den Verdacht, weil es Berlin ist, geht das wieder unter.“

Zehntausende Volksentscheidstimmen ungültig

„In der Tat waren viele Volksentscheidstimmen ungültig“, sagt Gert Baasen, Geschäftsstellenleiter der Landeswahlleiterin. 632.409 Berliner Wähler hatten gültige Stimmen zur Bundestagswahl eingesendet, beim Tegel-Entscheid waren es 109.000 Stimmen weniger. Er verweist auf die natürliche Differenz, verursacht durch Wähler, die die Volksentscheidstimme gar nicht erst beilegen. Die Zahl der ungültigen Stimmen beim Volksentscheid lag bei knapp 40.000.

Viel zu kompliziert war wohl auch der Merkzettel zur Briefwahl, den jeder Briefwähler mit den Wahlunterlagen erhält. Darin wird dem Wähler erklärt, dass die Abstimmungszettel für den Volksentscheid zusammen mit dem Bundestagswahlzettel zusammen in den blauen Umschlag gelegt werden müssten, der wiederum versiegelt in den roten Umschlag gesteckt werden muss. Dieser Merkzettel sei nach Bundesvorgaben gestaltet, so Baasen.

Er räumt aber ein, dass es Nachbesserungsbedarf gebe, wenn ein so hoher Anteil an Wählern das korrekte Prozedere nicht versteht. Allerdings hätten auch die als "nicht abgegeben" geltenden Stimmen das Ergebnis des Volksentscheids nicht kippen können: Formal fehlerhaft abgegebene Stimmen gelten als "nicht abgegeben" und zählen damit nicht; wären sie tatsächlich ungültig, etwa durch Notizen auf dem Wahlzettel, würden sie als "Nein"-Stimme gelten. Aber selbst wenn alle nicht mitgezählten Briefwahlstimmen "Nein-Stimmen" gewesen wären, hätte es immer noch eine Mehrheit für die Offenhaltung von Tegel gegeben, denn das "Ja"-Lager hatte insgesamt 254 616 Stimmen Vorsprung.

IT-Panne bescherte Bezirkswahlämtern eine lange Nacht

Später am Wahltag lief ebenfalls nicht alles glatt: Für etwa anderthalb Stunden stockten die laufenden Aktualisierungen der Ergebnisse auf der Webseite der Landeswahlleiterin. Hinter den Kulissen brach Panik in den Bezirkswahlämtern aus, die IT-Abteilung des Statistischen Landesamtes versuchte über Stunden, die Software wieder zum Funktionieren zu bringen.

Der Hintergrund: In jedem Bezirk übermittelt der Bezirkswahlvorsteher die Zahlen an die Bezirkswahlämter, die die Zahlen wiederum in eine Softwaremaske eingeben. Diese nimmt eine Plausibilitätsprüfung vor, etwa bei Diskrepanzen zwischen Gesamtzahl der gültigen Stimmen und Stimmen für die einzelnen Kandidaten und Parteien. Ab etwa 20:30 Uhr funktionierte diese Eingabe nicht mehr und die Bezirkswahlämter blieben auf ihren Ergebnissen sitzen, ein Datenstau entstand.

„Mich riefen erschöpfte Wahlvorstände an, die seit 16 Stunden auf den Beinen waren und einfach nur noch nach Hause wollten“, beschreibt Landeswahlleiterin Petra Michaelis die Situation. Sie musste die Wahlvorstände bitten, noch etwas auszuharren, bis die Software nach einigem Holpern später in der Nacht wieder funktionierte. „Die Ursachen für diese Probleme sind noch nicht klar“, sagte Michaelis am Montag. „Wir werden das aber in den kommenden Wochen und Monaten untersuchen“. Bei Testläufen mit allen Bezirken vor der Bundestagswahl hatte die Datenübermittlung einwandfrei geklappt.

Verspätungen waren zu erwarten

Eine der übermüdeten Kreiswahlleiterinnen war Christine Ruflett aus Pankow. Die Zahlen für ihren Wahlkreis erschienen als letzte auf der Seite der Landeswahlleiterin — und zwar nicht als letzte in Berlin, sondern als letzte bundesweit. Erst um 3:44 Uhr stand das vorläufige Ergebnis fest, abgeschickt hatte Ruflett die Daten aber schon gegen 2:30 Uhr.

„Das hatte weniger mit der Auszählung zu tun als mit der Datenübermittlung“, sagt sie. Durch die Softwarepanne konnten sie und ihre Mitarbeiter die Zahlen aus den Wahllokalen weder eingeben noch überprüfen. „Es ist ein anstrengender Tag, die Wahlvorstände machen Additionsfehler“, beschreibt sie die Situation. Um vier Uhr nachts ging Ruflett in der Wahlnacht nach Hause.

Von „einer besonderen Belastung für die Wahlhelfer“ spricht die Landeswahlleiterin. Dass es spät werden würde, sei aber zu erwarten gewesen, das habe sie dem Bundeswahlleiter schon im Vorfeld mitgeteilt. Das lag nicht nur am Volksentscheid: „Wir haben 24 Parteien auf dem Wahlzettel, dadurch dauert es alleine schon länger, den Wahlzettel auszulesen“, so Baasen. Die Verspätungen seien im Rahmen gewesen. „Wir haben die Zahlen ja keine vier Stunden nach dem letzten nicht-Berliner Wahlbezirk abgegeben.“

In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlicherweise, es habe 100.000 ungültige Stimmen beim Volksentscheid Tegel gegeben. Tatsächlich waren es 100.000 weniger gültige Stimmen als bei der Bundestagswahl. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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