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Mit Konfetti bejubeln die Grünen im Bundestag das Lebenswerk von Volker Beck.

© dpa

Bundestag beschließt Ehe für alle: Konfetti für Volker Becks Lebenswerk

Teilweise aggressiv, oft emotional und meistens respektvoll: Die Debatte im Bundestag um die Ehe für alle war eine Herausforderung.

Am Ende lief es etwas aus dem Ruder. Merkel faltete die Hände zusammen, blickte leicht entsetzt ins Leere. Es ist weniger die Attacke ihrer ehemaligen Parteifreundin Erika Steinbach, ihr die Gesichtszüge etwas entgleiten ließen, als vielmehr Johannes Kahrs, immerhin noch Abgeordneter ihrer Regierungskoalition. Der Sozialdemokrat beschimpfte Merkel, brüllte Richtung Regierungsbank und donnerte mit seiner Hand bei jedem Satz auf das Rednerpult.

"Das ist peinlich und erbärmlich", erregte sich Kahrs. Merkel habe mit ihrer Haltung über Jahre die Diskriminierung von Schwulen und Lesben befördert, weil sie sich gegen die Ehe für Homosexuelle gestellt habe. Jetzt sei der Schwenk gekommen. Dankbar sei er nicht. Im Gegenteil: "Danke für Nichts, Frau Merkel", rief er. Später beeilte sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Rede von Kahrs als "emotionalen Wutausbruch" zu bezeichnen und um "Nachsicht" zu bitten.

Kurz zuvor musste sich Merkel noch die Kritik von Erika Steinbach anhören, die Merkel vorwarf, mit ihrer Entscheidung am Montag für eine "Sturzgeburt" gesorgt zu haben. Steinbach forderte den Bundestag in ihrer letzten Rede auf, sich besser um die Kontrolle der Bundesregierung zu kümmern. Dafür wurde sie direkt nach ihrem Auftritt, für den es gar keinen Applaus gab, von Bundestagspräsident Norbert Lammert gemaßregelt, der die Gewissensentscheidung der Abgeordneten verteidigte.

Am Ende stimmten 393 Abgeordnete für die Ehe für Homosexuelle, 226 dagegen. Angela Merkel steckte die rote Nein-Karte in die Wahlurne. Kurz darauf erklärt sie sich. Sie sei jetzt für ein Volladoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare, aber gegen die Ehe für Homosexuelle, weshalb sie gegen den Antrag heute gestimmt habe. Sie hoffe aber, dass die Entscheidung zum "gesellschaftlichen Frieden" beitrage.

Keineswegs eine friedliche Debatte

Die Debatte selbst war keineswegs friedlich. Es war eine Mischung aus großer Emotionalität, Sachlichkeit und etwas Respekt. Genau den hatten Norbert Lammert und auch Volker Kauder, Fraktionschef der Union gefordert. Und weite Teile hielten sich auch daran. SPD-Fraktionschef Oppermann sprach zum Auftakt und erklärte: "Auf diesen gesellschaftlichen Fortschritt haben viele gewartet."

Niemand könne sagen, "dass wir über dieses Thema nicht gründlich genug diskutiert hätten. Es gab eine ordentliche Anhörung im Rechtsausschuss und der Bundestag hat fünf Mal darüber debattiert. Dass wir heute darüber entscheiden, ist vielleicht nicht gut für die Koalition, aber es ist gut für die Menschen. Und es ist gut für das Parlament, weil es seit Jahren eine klare Mehrheit für die Ehe für alle gibt." Gleichzeitig forderte er Respekt für jene, die gegen die Ehe für alle seien.  "Ich habe auch Verständnis für alle, die diesen Schritt noch nicht mitgehen können. Aber sie sollten bedenken, dass mit der Entscheidung für die Ehe für alle niemandem etwas genommen wird, aber vielen etwas gegeben wird."

Volker Kauder erklärte, dass er gegen die Öffnung der Ehe für Homosexuelle sei. "Ich werde aus Gewissensgründen nichts unterschreiben, was die Ehe außer für Mann und Frau öffnet." Man entscheide heute nicht über die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, diese Frage sei längst entschieden, weil die Gleichstellung existiere. Es gehe um die Frage, ob die Ehe von Mann und Frau geöffnet werde. "Für mich bleibt klar, dass es nicht dasselbe ist und die Ehe als Beziehung von Mann und Frau durchaus berechtigt ist."

Nein sagen, muss nicht gleich homophob sein

Dass am Ende fast 70 Unionsabgeordnete für die Ehe für alle stimmten, könnte auch an Jan-Marco Luczak liegen, der zwar emotional aber auch sehr sachlich seine Parteifreunde um Unterstützung bat. Es gehe beim Bund fürs Leben um Treue, Beständigkeit und Verlässlichkeit, sagte er in der Debatte im Bundestag am Freitagmorgen. "Das sind zutiefst konservative Werte", sagte Luczak. Der CDU-Politiker warb zugleich für gegenseitige Toleranz und Respekt vor anderen Meinungen. "Nicht jeder, der heute nicht für die Öffnung der Ehe stimmt, ist dann gleich homophob", sagte Luczak. Er sprach sich zudem dagegen aus, das Thema in den bevorstehenden Wahlkampf hineinzuziehen.

Für Volker Beck war es der letzte Auftritt im Bundestag. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Görin-Eckart gratulierte ihm in ihrer Rede für sein "Lebenswerk". Er selbst appellierte an die Konservativen zuzustimmen. "Bewahrenswert ist die Ehe, nicht die Diskriminierung von Schwulen und Lesben. Mit der Ehe für alle wird ein wichtiger Beitrag zur Einigkeit, Recht und Freiheit von Schwulen und Lesben geleistet."

Als das Ergebnis verkündet wurde, regnete es Konfetti über Volker Beck. Das war Lammert dann zu viel. "Die Entscheidung gerät so in den Verdacht der Albernheit." Albern war die Debatte sicher nicht, emotional schon, für manche eine Herausforderung - und für viele auch historisch.

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