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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

Bundespräsident in Jerusalem: Steinmeier bekräftigt "wertvolle Partnerschaft" mit Israel

Bundespräsident Steinmeier kritisiert die israelische Reaktion auf Gabriel und betont nach den Zuspitzungen zugleich den Wert der bilateralen Beziehungen.

Der rote Teppich ist ausgerollt an diesem frühen, sonnigen Sonntagabend an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Hunderte Studenten, israelische und deutsche, die für ein Auslandsjahr in Jerusalem leben, sind gekommen, um zu hören, was der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu sagen hat.

Ob er wohl auch auf den Eklat der vergangenen zwei Wochen eingehen wird, als der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu das Treffen mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel absagte? „Hier in Israel, mit israelischen Freunden, ist das alles gar kein Thema gewesen, ich habe es eher in den deutschen Medien verfolgt“, sagt die 24-jährige Maira Rehr, die in Marburg Theologie studiert, sich aber für ein Jahr in Jerusalem dem Fach Judaistik widmet. Die deutsch-israelischen Beziehungen, auch die unter den Studenten, seien stabil und Kritik möglich, ist die junge Frau überzeugt. „Ein israelischer Freund von mir sagt immer, auf beiden Seiten, der palästinensischen und der israelischen, müssen Missstände aufgedeckt werden, sonst kommt man ja nicht weiter.“

Kritik? Kein Problem!

Trotz und gerade wegen ihrer Vergangenheit dürfen auch Deutsche kritisieren, findet Kommilitonin Sophia Weber aus Tübingen. Und auch unter israelischen Studierenden wird diese Überzeugung geteilt, wie die 24-jährige Noam Aviram klarstellt: „Alle machen Fehler, und die ganze Welt ist berechtigt, jeden zu kritisieren. Das ist doch Demokratie, oder?“

Genau dieses Thema, die Demokratie, hat Steinmeier für seine Rede gewählt. An diesem Abend spricht er so leidenschaftlich und so fidel, als wäre es nicht das Ende eines langen Tages. Eines Tages vollgepackt mit Terminen, unter anderem mit dem Besuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem und der Gräber von Jitzchak Rabin und Schimon Peres sowie den Treffen mit Präsident Reuven Rivlin und Premier Netanjahu. Steinmeier versucht in dieser Rede genau das, was er sich für die gesamte Reise vorgenommen hat: die Freundschaft und die Anerkennung zum Ausdruck bringen, gleichzeitig aber nicht auf Kritik zu verzichten.

So spricht er in dem Auditorium voller Studenten und Medienvertretern über die Leistungen der israelischen Demokratie, beispielsweise die freudige Streitkultur der Israelis und die gelungene Integration von Millionen von Einwanderern auch aus nicht-demokratischen Staaten. Aber er weist auch auf Missstände hin, sowohl in Deutschland als auch in Israel. „Lasst uns über die Anfechtungen von Demokratie ehrlich und ohne Sprechverbote miteinander reden“, sagt Steinmeier. Indirekt kommt er dabei auch auf den Eklat von vor zwei Wochen zu sprechen. „Wer seine Stimme erhebt, wer Kritik übt, der ist kein Volksverräter, sondern eigentlich ein Volksbewahrer“ – eine klare Ansage an Israels rechte Hardliner, die Organisationen wie die Armeekritiker Schowrim Schtik („Breaking the Silence“) oder Btselem immer wieder als Verräter und Nestbeschmutzer bezeichnen. Steinmeier gibt sich nahbar und beantwortet auch kritische Fragen aus dem Publikum, zum Beispiel die der deutschen Studentin Julia nach den Vorfällen in der deutschen Bundeswehr, nachdem bekannt wurde, dass dort Gegenstände der Wehrmacht entdeckt wurden. „Irritationen und Fassungslosigkeit sind auch in Deutschland verbreitet“, sagt Steinmeier. Und wie es nun aus deutscher Sicht um dieAufteilung der Hauptstadt Jerusalem stehe, will der Israeli Tomer wissen. Das Existenzrecht Israelis müsse von allen Nachbarn anerkannt werden, das sei Voraussetzung für den Weg zur Zweistaatenlösung.

Die Rede an der Universität ist nur ein Programmpunkt in der mehr als dreitägigen Reise des Bundespräsidenten. Zum Auftakt ging es am Samstagabend zusammen mit Gattin Elke Büdenbender und dem israelischen Präsidenten Rivlin auf den Machane-Yehuda- Markt in Jerusalem. Der Ort hat sich zum Szene- und Ausgehviertel mit Bars und Restaurants entwickelt. Zwei Präsidenten, entspannt und ohne Krawatte, die sich die Graffitis des Streetartkünstlers Solomon Souza ansehen und in lockerer Atmosphäre bei einem Bier mit Einheimischen zusammenkommen – der Termin zeugte von Freundschaft, zwischen zwei Staatspräsidenten und zwischen zwei Staaten.

Der Unmut in Berlin ist groß

Aber: Es gibt sie eben, diese ganz offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten, wie der Fall vor zwei Wochen zeigte. Und der war nicht der einzige. So sagte die Bundesregierung die für Mai in Berlin geplanten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen ab, nachdem die Knesset im Februar ein Gesetz zur nachträglichen Legalisierung illegaler Siedlungen verabschiedet hatte. Der Unmut in Berlin über den andauernden Siedlungsbau im besetzten Westjordanland ist groß. Offiziell wurde die Absage hingegen mit Terminschwierigkeiten begründet.

Auf ein Treffen mit den umstrittenen NGOs verzichtet Steinmeier bei seinem Besuch, nicht aber auf Begegnungen mit anderen Regierungs- und Besatzungskritikern. So kam er bereits am Sonntagmorgen mit dem Schriftsteller David Grossmann zusammen, einem Befürworter der Zweistaatenlösung. Am Montag wird Steinmeier auch die Begegnungsstätte Givat Haviva besuchen, die für Annäherungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis sorgt.

Steinmeier will am Dienstag auch die palästinensischen Gebiete besuchen, wo er den Präsidenten Mahmud Abbas treffen wird. Der Besuch in Ramallah fällt in eine angespannte Zeit. Knapp 1000 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen befinden sich derzeit im Hungerstreik und fordern bessere Haftbedingungen und ein Ende der Administrativhaft, der Verhaftung ohne Anklage. Gleichzeitig hat die palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah angekündigt, die Zahlungen für die Stromlieferungen von Israel nach Gaza einzustellen, wobei Gaza schon jetzt nicht mehr als vier Stunden Strom am Tag bekommt. Unklar ist noch, ob Israel weiterhin Strom liefern wird. Gaza wird von der Terrororganisation Hamas beherrscht, am Samstag wurde Ismail Hanija zu ihrem Chef gewählt.

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