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Angeschlagener Parteichef: Martin Schulz.

© Christian Charisius/dpa

Brief an Mitglieder: Schulz sorgt sich um die Existenz der SPD

Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, den der SPD-Vorsitzende nun wählt. Er schreibt einen Brief an die Mitglieder - und spricht von Rücktrittsgedanken.

Der angeschlagene SPD-Chef Martin Schulz hat in einem Brief an die Parteimitglieder um Unterstützung der Basis geworben. Er habe am Abend der Bundestagswahl an Rücktritt gedacht, schreibt der SPD-Politiker: "Natürlich habe ich am Sonntagabend mit mir gerungen und mich gefragt, ob es nicht besser wäre zurückzutreten." Nach vielen Gesprächen sei er aber zu der Überzeugung gelangt, dass er zusammen mit der Partei den dringend notwendigen Neuanfang der SPD voranbringen wolle. In einem TV-Interview am Wahlabend hatte Schulz eigene Rücktrittsgedanken noch ausdrücklich bestritten.

Ein Wiederaufstieg der SPD sei auch über Deutschland hinaus wichtig, erklärt der geschlagene Kanzlerkandidat und warnt vor einem Scheitern: "Es geht in den nächsten vier Jahren um nicht weniger als um die Existenz der deutschen, ja der europäischen Sozialdemokratie."

Schulz verspricht den Mitgliedern einen "strukturellen, organisatorischen, inhaltlichen und strategischen Neuanfang", den er gemeinsam mit Fraktionschefin Andrea Nahles voranbringen wolle. Unter seiner Führung hatte die SPD bei der Bundestagswahl am Sonntag mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Nachkriegszeit erzielt.

Der Parteichef übernimmt in dem Text zwar die Verantwortung für die Niederlage, zählt aber zahlreiche Fehler der Vergangenheit auf, die zu dem schlechten Ergebnis beigetragen hätten. Nach den verlorenen Bundestagswahlen 2005, 2009 und 2013 habe es eine ehrliche und tiefergehende Debatte über die Gründe der Wahlniederlagen nicht gegeben, es seien „auch keine echten Konsequenzen gezogen worden“. Auch in der Organisation der Wahlkampfs 2017 hätten sich "alte Fehler wiederholt". Es sei zu wenig Zeit für die Vorbereitung der Kampagne geblieben. Über den nächsten Kanzlerkandidaten der SPD soll offenbar mit längerem Vorlauf entschieden werden. Spätestens beim Parteitag 2019 sollten nun "die Weichen für 2021" gestellt werden, damit die SPD bei der nächsten Bundestagswahl wieder erfolgreich sein könne.

Schwesig ruft Oppermann zur Ordnung

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig wies unterdessen Überlegungen von Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann scharf zurück, wonach die SPD ihr Nein zu einer großen Koalition im Falle eines Rückzugs von Bundeskanzlerin Angela Merkel überdenken könnte. "Spekulationen aller Art sind unnötig", sagte Schwesig dem Tagesspiegel. Die große Koalition sei abgewählt worden, der Auftrag an die SPD laute Opposition. "Es gibt keine Hintertür, da ist sich die gesamte Parteiführung einig." Oppermann hatte im ZDF auf die Frage, ob die Sozialdemokraten im Fall eines Rückzugs von Merkel zu einer großen Koalition bereit wären, erklärt: "Das wäre in der Tat eine neue Situation."

Der Fraktionschef der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, kritisierte, Oppermanns Äußerungen beschädigten die Glaubwürdigkeit der SPD. "Es entsteht der Eindruck, manche kleben an der Macht und versuchen, sich Ministerposten zu sichern", sagte Saleh. Damit werde das Klischee vom Politiker bedient, der nur an sich selbst denke.

Unterdessen wächst laut Politbarometer die Zustimmung zu einer Jamaika-Koalition. 59 Prozent fänden ein solches Bündnis gut, ermittelte die Forschungsgruppe Wahlen. Vor der Wahl hatte eine Mehrheit es abgelehnt. Instituts-Vorstand Matthias Jung zeigte sich bei einer Veranstaltung des Tagesspiegel-Wirtschaftsclubs nicht überrascht von der Entwicklung. Union, FDP und Grüne repräsentierten große Teile der modernisierten bürgerlichen Gesellschaft, sagte er.

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