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Reines Spekulationsobjekt oder echte Währungsalternative? Am Bitcoin scheiden sich die Geister.

© Dado Ruvic/REUTERS

Bitcoin-Boom: Kryptische Gier auf Rendite

Seit Januar hat sich der Bitcoin-Preis verzwanzigfacht. Aber lange kann der Boom der Kryptowährung nicht mehr anhalten, bevor die Blase platzt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Haben Sie schon Bitcoins gekauft? So abwegig ist die Frage nicht. Zig Millionen Zeitgenossen, insbesondere in China und den USA, haben bereits ein Konto für die sogenannte Kryptowährung. Dort gebucht ist eine Anzahl verschlüsselter – kryptografisch erzeugter – Zahlenfolgen, die fälschungssicher dem Computer des Besitzers zugeordnet und über Börsen gegen gängige Währungen getauscht werden können. Das hat schon viele Anleger reich gemacht. Wer im Januar 2011 für 100 Dollar 330 Bitcoins erworben und bis heute behalten hat, der verfügt derzeit über ein Vermögen von mehr als fünf Millionen Dollar. Selbst wer erst im Januar 2017 eingestiegen ist, erzielte eine Rendite von 1800 Prozent. Da kommt so mancher ins Grübeln. Also doch schnell noch ein paar Bitcoins kaufen?

Die wundersame Geldvermehrung scheint verrückt – und ist doch nur eine alte, vielfach wiederholte Geschichte. Schon im 17. Jahrhundert gab es in Holland tausende normaler Geschäftsleute, die mit hohem Risiko zu maßlosen Preisen etwas kauften, was nur wenig praktischen Wert hatte: Tulpenzwiebeln. Aber weil die damals neuen Blumenbörsen immer mehr Bürger anlockten, hielt der Tulpenboom sieben Jahre lang an – und beglückte die frühen Enthusiasten mit hohen Gewinnen, um später deren Nachahmern drastische Verluste zu bescheren.

Seitdem sind Spekulationsblasen ein wiederkehrendes Merkmal der Marktgesellschaft. Und gleich, ob es dabei um den Aufstieg der asiatischen Tiger, die Internettechnik oder irische Immobilien ging, eines haben alle Crash-Geschichten gemeinsam: Sie fußen auf Neuerungen, die starke wirtschaftliche Zuwächse verheißen, aber einen Nachteil haben: Sie wachsen nicht so schnell, wie der Run der Spekulanten auf das knappe Angebot.

Das ist bei den Kryptowährungen nicht anders. Auch dahinter steckt eine großartige Innovation. Der – bis heute anonyme – Erfinder konstruierte ein Zahlungsmittel, das es den Teilnehmern erlaubt, mittels eines dezentralen, digitalen Kassenbuchs untereinander elektronische Zahlungen zu leisten, ohne dafür eine Bank einzuschalten – anonym, sicher und ohne Kontrolle. Satoshi Nakamoto, wie sich der Erfinder nannte, konstruierte also ein elektronisches Pendant zum Bargeld. Die Technologie, Blockchain genannt, verheißt enorme Effizienzgewinne.

Das allerdings hatten der Erfinder und seine Jünger gar nicht im Sinn. Sie folgten vielmehr der radikal-libertären Utopie eines Marktes ohne Staat und ohne Notenbank. „Zentralbanken muss man vertrauen, dass sie die Währung nicht entwerten“, schrieb Nakamoto. „Aber die Geschichte des Papiergeldes“ sei „voll von Beispielen, wo dieses Versprechen gebrochen wurde“. Dagegen, so versprechen die Bitcoin-Konstrukteure, gebe es mit ihrer Währung keine Inflation, keine Bankenrettung und keine korrupte Finanzelite, sondern ein Zahlungsmittel, dass allein von seinen Nutzern kontrolliert wird. Insofern entspricht der Hype um Bitcoin dem gleichen anti-elitären Zeitgeist und Misstrauen gegen die Institutionen, der auch den Rechtspopulisten die Wähler zutreibt.

Dafür konstruierten die Bitcoin-Programmierer die digitalen Münzen so, dass sie nur in begrenzter Zahl erzeugt werden können. Doch eben diese Konstruktion ist es, die den Gebrauch der Bitcoins in das Gegenteil der ursprünglichen Absicht verkehrte. Um neue Einheiten zu erzeugen, ist eine stetig wachsende Computerleistung erforderlich. In der Folge liegt die Bitcoin-Schöpfung, das „Mining“, mittlerweile zu mehr als 70 Prozent in der Hand von vier chinesischen Unternehmen, die für ihre Serverparks ungeheure Mengen Strom verbrauchen. Weil diese auch mehr als die Hälfte aller Transaktionen abwickeln, haben sie de facto die Kontrolle über das Bitcoin-Projekt. Gegen ihren Willen kann die Software nicht verändert werden. Statt der dezentralen Macht der vielen regiert also nur eine Handvoll Kapitalisten die digitale Währung – und entlarvt die Ideen der Bitcoin-Erfinder als naive Träumerei.

Noch schwerer wiegt, dass der anonyme, digitale Zahlungsverkehr wie geschaffen ist für die Geldwäsche der organisierten Kriminalität. Das jüngste Beispiel dafür lieferte der globale Hacker-Angriff mit dem Erpresservirus „Wannacry“ im Mai 2017. Das Lösegeld war selbstverständlich in Bitcoins zu leisten.

Das kann nicht gut gehen. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Bitcoin-Blase das gleiche Ende nimmt wie ihre Vorgänger. Für den von Nullzinsen geplagten Anleger ist das allerdings kein Trost. Noch lassen die Finanzbehörden die Tauschbörsen für die Kryptowährungen gewähren. Zuletzt haben sie sogar den Handel mit Derivaten auf Bitcoins zugelassen. Die Verlockung der Spekulation mit dem digitalen Nichts wird also bleiben. Denn nichts, so beschrieb es Charles Kindleberger, Autor des Klassikers über „Manias, Panics and Crashes“, „ist verstörender für die Urteilsfähigkeit, als mit anzusehen, wenn ein Freund plötzlich reich wird“.

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