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Beschneidung: In den USA ist es Routine

In Deutschland erregt das Kölner Beschneidungs-Urteil beträchtliches öffentliches Aufsehen. Wie gehen andere Länder mit diesem Thema um?

In den USA ist Beschneidung bis heute ein Routine-Eingriff. Während nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation weltweit rund 30 Prozent aller Jungen und Männer beschnitten sind, liegt der Anteil in Amerika bei rund 70 Prozent. Am höchsten ist die Quote in den Staaten an der Ostküste, etwa in New York, einer Stadt mit einer großen jüdischen Gemeinde, von der auch zahlreiche Krankenhäuser geleitet und finanziert werden.

Weniger Beschneidungen gibt es an der Westküste. In der liberalen Metropole San Francisco kam das Thema im vergangenen Jahr sogar zur Abstimmung: Eine Gruppe von Aktivisten wollte die Beschneidung von Babys komplett verbieten – eine Mehrheit fand man nicht, in anderen Städten organisieren sich seither allerdings weitere Gruppen mit dem gleichen Ziel. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass es sich bei der Beschneidung in erster Linie um ein religiöses Ritual handelt, das tatsächlich keine merklichen gesundheitlichen Vorteile bringt. Der Berufsverband amerikanischer Kinderärzte hat mehrfach öffentlich erklärt, dass bei einer routinemäßigen Beschneidung die medizinischen Vorteile die Risiken nicht rechtfertigten.

Unabhängig von der allgemeinen Diskussion ist vor allem ein Beschneidungsritual der ultra-orthodoxen Juden zuletzt massiv in Kritik geraten. Bei der „metzitzah b’peh“ – wörtlich übersetzt: oral-genitale Beschneidung – nimmt der Beschneider den Penis des Babys in den Mund, um Blut aus der Wunde zu saugen. Zwischen 2000 und 2011 wurden dabei allein in New York elf Babys mit Herpes infiziert, zehn mussten im Krankenhaus behandelt werden. Bei zwei Babys kam es zu bleibenden Gehirnschäden, zwei weitere starben. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg appellierte 2005 an Rabbis, sich von der Praxis zu distanzieren, stieß aber auf Widerstand: Die oral-genitale Beschneidung sei sicher und werde weiter durchgeführt, hieß es.

In Ländern, die hohe medizinische Standards haben, wie Norwegen, Frankreich, Schweden, Finnland, Dänemark, Japan und England, wird heute die therapeutische Notwendigkeit der Beschneidung bei Jungen bestritten. In Ländern wie Großbritannien und Kanada rückten die Krankenkassen längst von der Praxis ab, die Beschneidung zu bezahlen, woraufhin die Zahl dieser Eingriffe drastisch zurückging.

In allen muslimischen Ländern ist die Beschneidung dagegen üblich. In der arabischen Welt wurde sie traditionell mit einem altertümlichen Stein- oder Schiefermesser durchgeführt – meist von einem Barbier, einem wandernden Beschneider, mitunter auch vom Vater. Inzwischen wird der Eingriff aus hygienischen Gründen mehr und mehr von Ärzten und in Kliniken vorgenommen. Abhängig von den regionalen Gepflogenheiten findet er zwischen dem 7. Tag nach der Geburt und der Vollendung des 15. Lebensjahrs statt – und wird als Festtag begangen.

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