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Berliner Mobilitätsgesetz: Verkehrspolitik darf nicht zum Kulturkampf werden

Berlin muss Rücksicht auf alle Formen von Mobilität nehmen. Die radikale Rhetorik der Auto-Kritiker könnte die Stadt zerreißen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Städte sind gelebte Mobilität. Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz, das Berlins Senat vorgelegt hat, kommt zu einer Zeit, wo erbittert um die Zukunft des Autos gestritten wird. Die Branche hat Jahrzehnte davon profitiert, dass Städte selbstverständlich autogerecht waren und Menschen oft genug nur randständige Störfaktoren. Zu lange wurde ignoriert, dass für immer mehr Menschen das Rad zum zentralen Verkehrsmittel geworden ist und der öffentliche Nahverkehr unverzichtbar ist, um – wie angestrebt – bis 2050 eine klimaneutrale Stadt zu sein.

Das Auto bleibt für die Menschen unverzichtbar

Dass es künftig Vorrang für Fußgänger, Radler und den Nahverkehr geben soll, wird bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch Widerstand all jener hervorbringen, die hier eine unheilige Allianz zwischen einer grün geführten Verkehrsverwaltung und den Aktivisten des Rad-Volksbegehrens sehen – gegen die Autofahrer. Es scheint ja durchaus zuweilen eine institutionalisierte Geringschätzung des Autofahrers durch die Amtsstuben zu wehen. Wenn man die gleichzeitigen Baustellen auf dem Stadtring, an der Wissell-Brücke und der Avus-Überleitung am Funkturm anschaut, kann man sich schon fragen, ob das gezielte Schikane oder bloße Gedankenlosigkeit ist, weil die Senatsverwaltung die Autofahrer eben nicht im Blick hat. Beides ist gleichermaßen alarmierend.

Der große Wurf, den sich der rot-rot-grüne Senat vorgenommen hat, muss aber von allen Berlinern mitgetragen werden, nicht nur von den Radlern. So sehr Berlin mehr Radspuren, Schnellstrecken oder Vorrangschaltungen für Busse benötigt, so sehr bleibt für viele Menschen das Auto noch längere Zeit unverzichtbar: Für an den Nahverkehr schlecht angebundene Pendler, für Familien, für Handwerker.

Der öffentliche Raum ist für alle da

Das Gesetz benötigt ein Klima, in dem eine gegenseitige Akzeptanz wachsen kann. Der Dieselskandal kommt deswegen für das Berliner Gesetz zur Unzeit. Die radikale Tabula-rasa-Rhetorik gegenüber dem Auto, deren sich manche Kritiker befleißigen, droht auch das Mobilitätsgesetz in den Kulturkampf ums Auto hineinzuziehen. Da muss die Logik hintanstehen. Die in Berlin angedrohte Klage gegen den Ausbau des Stadtrings A 100, weil die dem Bau zugrunde gelegten Schadstoffwerte falsch waren, ist ein Beispiel. Ja, die Werte waren zu niedrig angesetzt – aber das würde auch gelten, wenn sich die Autos weiterhin durch jene Neuköllner Wohnstraßen quälen müssten, die durch den Stadtring künftig von Autoabgasen entlastet werden.

Der öffentliche Raum ist für alle da – das ist das kulturhistorische Versprechen der Städte. Das Mobilitätsgesetz soll dieses Miteinander und Nebeneinander von Bus, Rad, Fußgänger und Autofahrer neu tarieren. In diesem Prozess der Umsetzung sollte es nur Partner geben, nicht Gegner. Immerhin ist etwa der Autolobbyist ADAC seit Jahren für eigene Radstraßen. Ohne diese Akzeptanz, ohne die Vermittlung von Maßnahmen, ohne die Bereitschaft zum Kompromiss wird es die Stadt zerreißen. Der Wutausbruch des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller über die in seiner Wohnstraße weggefallenen acht Parkplätze gibt davon nur eine kleine Ahnung.

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