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Die kleine Olivia hatte einen seltenen Hirntumor. Die vierte Phase ihrer Chemotherapie an der Berliner Charité wurde verschoben

© Thilo Rückeis

Berliner Krankenhaus Charité: Eltern und Pfleger: "Unerträgliche Zustände" in der Kinderonkologie

Die Eltern der krebskranken Olivia dachten, sie hätten Glück im Unglück. Weil ihr Kind in der renommierten Charité behandelt wird. Nun gibt es schwere Vorwürfe. Für den kleinen Nils gab es keine Rettung.

An einem kalten Novembertag sitzt die knapp zweijährige Olivia in ihrem Kinderzimmer und spielt sich durch ihre Sachen. Erst nimmt sie den Teddybär mit dem rosa Pflaster auf ihren Schoß und streichelt ihn. Dann wirft sie die Legosteine durcheinander. Die blauen und roten haben Gefühle, sie tun sich weh. „Aua“, sagt Olivia. „Aua.“

Wenn Kinder spielen, verarbeiten sie, was sie erlebt haben. In Olivias kurzem Leben gab es bereits viele Pflaster und noch mehr Auas. Olivia hat einen Hirntumor, im Sommer wurde er operativ entfernt, nun bekommt sie Chemotherapie.

Früher lagen die Heilungschancen bei 20 Prozent

Geboren wurde Olivia am 15. November 2014. Ihre Entwicklung war völlig normal, das zweite Kind eines glücklichen Paares, fröhlich und robust. Im Sommer 2016 bemerkten die Eltern Barbara und Bernie Mayer, dass Olivia den Kopf merkwürdig schief hielt. Wahrscheinlich eine Verspannung, dachte die Mutter, ging aber sicherheitshalber zur Ärztin. Die schickte Olivia weiter in die Notaufnahme der Charité. Die Diagnose gab es noch am selben Tag: Olivia hatte einen rhabdoiden Tumor, besonders aggressiv, entstanden aus embryonalem Gewebe. Früher lagen die Heilungschancen bei 20 Prozent. Inzwischen sind sie auf 60 Prozent gestiegen. Solange das Kind medizinisch gut versorgt wird.

Und so fanden Barbara und Bernie Mayer, sie hätten Glück im großen Unglück. Weil sie in Berlin leben, Sitz der Charité, dem Krankenhaus mit Weltruf. Die fünfstündige hoch komplizierte Operation Anfang August verlief zur Zufriedenheit aller, danach begann die Chemotherapie, drei Mal drei Blöcke, angesetzt für etwa neun Monate. Barbara Mayer hatte das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Jetzt, rund drei Monate nach Behandlungsbeginn, ist sie sich da nicht mehr so sicher. „Die Zustände auf der kinderonkologischen Station im Virchow sind unerträglich“, sagt Mayer.

Pflegekräfte sind rar auf der Station der Kinderonkologie in Wedding
Auf weitem Flur. Pflegekräfte sind rar auf der Station der Kinderonkologie in Wedding.

© Jens Gyarmaty / VISUM

Olivias vierter Chemoblock sollte eigentlich am 19. Oktober beginnen. Der dritte lag drei Wochen zurück, Olivias Blutwerte sahen gut aus, die Eltern waren froh, dass der Kampf gegen die Tumorzellen fortgesetzt werden würde. Doch als Mayer morgens in der Klinik anrief, bekam sie eine Auskunft, die sie schockierte. „Man sagte mir, Olivia könne nicht behandelt werden, weil sie wegen Personalmangel Betten sperren mussten.“ Kurz darauf bekommt Mayer von einer Person, die auf der Station arbeitet, eine E-Mail: „Es ist hier auf der Station pflegekräftemäßig sehr, sehr desolat und mit euch warten noch einige andere auf ein freies Bett und darauf, mit der Therapie weiterzumachen. Es ist wirklich echt furchtbar schlimm.“

Ein Zeichen absoluten Pflegenotstands

In der Charité gilt seit April 2016 ein Tarifvertrag, um den die Gewerkschaft Verdi und die Klinik jahrelang gerungen haben. Darin ist festgeschrieben, dass jeder Pfleger auf der Kinderonkologie nur drei Patienten versorgen soll. „Davon sind wir noch weit entfernt, und dabei braucht man doch gerade für krebskranke Kinder Zeit und Zuwendung“, sagt eine Pflegekraft, die anonym bleiben will. „Oft stopfen wir die Löcher in den Dienstplänen selbst, indem wir auch dann arbeiten, wenn wir eigentlich frei hätten.“ Manchmal setzt die Charité Leasingkräfte ein. Eine Erleichterung ist das nur bedingt. „Kaum haben wir sie angelernt, sind sie schon wieder weg.“ Als letztes Mittel kann eine Station Betten sperren lassen. Ein Zeichen absoluten Pflegenotstands.

Barbara Mayer wird vertröstet. Ferner wird ihr mitgeteilt, dass die Ärzte die Patienten aufgrund des Personalmangels jeden Morgen priorisieren müssten. „Das klang wie im Feldlazarett“, sagt Mayer. „So nach dem Motto: Der stirbt uns am ehesten, den nehmen wir dran.“ Fünf Tage lang ruft Barbara Mayer jeden Morgen an...

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