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Hätte Amri in Westfalen in Abschiebehaft genommen werden müssen?

© dpa

Update

Berliner Attentäter: Union nutzt Sitzung zum Fall Amri für Kritik an SPD

Politiker von CDU und CSU werfen der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen Fehler vor. Die Behörden hätten nicht mal versucht, Anis Amri in Abschiebehaft zu nehmen.

Bei einer Sondersitzung des Innenausschusses zu möglichen Behördenpannen im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri hat die Union die SPD-geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ins Visier genommen. Die nordrhein-westfälischen Behörden hätten die Abschiebung Amris nicht mit der nötigen "Dringlichkeit und Vehemenz" vorangetrieben, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU) am Montag in Berlin. Bei der Sitzung sagte unter anderem NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) aus. Mayer zeigte sich "überrascht", dass Jäger die Verantwortung den Behörden von Amris Heimatland Tunesien zuschiebe, die erforderliche Ausweispapiere nicht geliefert hätten. Das sei "zu einfach". Die Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen hätten es zumindest versuchen müssen, vor Gericht Abschiebehaft zu beantragen.

Auch der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte, Nordrhein-Westfalen sei "in erster Linie" verantwortlich, dass Amri nicht inhaftiert wurde. Da der Tunesier wegen einer Reihe kleinkrimineller Vergehen aktenkundig war, hätte es dafür "gleich mehrere Chancen" gegeben. Jäger wies die Vorwürfe nach der Sitzung zurück. "Um es mal ganz deutlich zu sagen: Die Bundesregierung hat Rücknahmeabkommen mit Ländern wie Tunesien und Marokko und Algerien vereinbart, die in den Ländern und Kommunen nicht praktikabel umsetzbar sind", sagte er.

"Fehler sind überall gemacht worden"

Die Maghreb-Staaten würden bei der Ausstellung von Passersatzpapieren nicht kooperieren. Die Einschätzung, dass von Amri keine unmittelbare Anschlagsgefahr ausgehe, sei derweil unter Beteiligung von Bundes- und Landesbehörden im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) getroffen worden. "Fehler sind überall gemacht worden", sagte auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka. "Es hat keinen Zweck, wenn man in Zukunft solche Fälle verhindern will, dass einer auf den anderen zeigt was Zuständigkeiten angeht."

Amri konnte am 19. Dezember den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit zwölf Toten begehen, obwohl er als islamistischer Gefährder auf dem Radar der Sicherheitsbehörden war. Seine Überwachung war vor dem Anschlag mit einem gekaperten Lkw eingestellt worden. Der Tunesier hatte sich mehrere Identitäten zugelegt und war häufig zwischen Berlin und Nordrhein-Westfalen gependelt. Nach der fünfstündigen Sondersitzung des Innenausschusses blieben viele Fragen der Abgeordneten offen. "Ich mache überhaupt keinen Hehl daraus, dass ein Untersuchungsausschuss auf Bundesebene immer näher rückt", sagte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele.

Wahlkampf der kommenden Monate in Sitzung zu spüren

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz forderte, dass sich Opposition und Koalitionsfraktionen ein "sinnvolles parlamentarisches Verfahren" zur Aufarbeitung des Falls Amri überlegen müssten. Auch der stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses, Frank Tempel (Linke), sagte, es sei "sehr schwer", sich in einer Sondersitzung des komplexen Themas anzunehmen. Zugleich beklagte er, dass in der Sitzung der "Wahlkampf der kommenden Monate" insbesondere zwischen Union und SPD zu spüren gewesen sei.

Am Montag wurden neben Jäger und dem Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) unter anderem auch die Spitzen von Bundesnachrichtendienst, Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt als Zeugen gehört. Die große Koalition hatte die Aufklärung von Behördenpannen im Fall Amri zunächst einer Ermittlergruppe des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestages überlassen. Ein Untersuchungsausschusses ist damit nicht vom Tisch, allerdings gibt es Zweifel, ob dies in der sich zu Ende neigenden Legislaturperiode noch sinnvoll ist. Notz warnte, ein solcher Ausschuss dürfte "nicht als Wahlkampfinstrument" missbraucht werden. (AFP)

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