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Ältere müssen sich auf der Flucht um ihre kleinen Geschwister kümmern.

© REUTERS

Bericht des Kinderhilfswerks Unicef: Mehr als die Hälfte der Rohingya-Flüchtlinge sind jünger als 18

Vom Chaos der Flucht vor Mord und Gewalt sind unter den aus Myanmar fliehenden Rohingya vor allem die Kinder betroffen. Unicef schlägt Alarm.

Die furchtbaren Zustände in den Zufluchtsgebieten der aus Myanmar geflohenen Rohingya sind nach einem Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef für Kinder und Jugendliche unzumutbar. Rund 340.000 Minderjährige seien in Gefahr, berichtet Unicef aus dem Südosten von Bangladesch, wo seit Ende August mehr als 580.000 Menschen Zuflucht gefunden haben. 58 Prozent sind unter 18 Jahre alt.

Viele Familien hätten nur Zeltplanen als Schutz vor der sengenden Sonne, bei Regen säßen sie in knöcheltiefem Matsch. Statt des nötigen Minimums von 7,5 Liter Wasser pro Person zum Trinken und Waschen täglich hätten viele nur 2,5 Liter oder weniger, sagte der Autor des Berichts, Simon Ingram, in Genf. Im Chaos der provisorischen Lager gingen Kinder verloren, und überall lauere die Gefahr, dass die Minderjährigen missbraucht oder ausgenutzt werden. Ein Fünftel der unter Fünfjährigen seien stark unterernährt.

Kinder und Jugendliche sprechen von Hölle auf Erden

„Kein Wunder, dass die Kinder und Jugendlichen die Lage als Hölle auf Erden beschreiben“, sagte Ingram. Viele hätten nach eigenen Angaben die Ermordung von Eltern und Freunden mit ansehen müssen und seien traumatisiert. „Sie brauchen Hilfe, um damit fertig zu werden“, sagte Unicef-Exekutivdirektor Anthony Lake. „Sie brauchen Unterricht, sie brauchen psychologische Beratung, sie brauchen Hoffnung. Wenn wir ihnen das jetzt nicht geben, wie sollen sie dann zu produktiven Mitgliedern ihrer Gesellschaft heranwachsen?“ In Genf findet am kommenden Montag eine Geberkonferenz statt. Von den benötigten 434 Millionen Dollar (fast 370 Millionen Euro) war bis Anfang dieser Woche erst ein Viertel zusammengekommen.

UN-Vertreter haben Dutzende zerstörte und niedergebrannte Häuser in der Heimat der Rohingya, der Rhakine-Region, gesehen. Das UN-Menschenrechtsbüro spricht von ethnischen Säuberungen, aber die Regierung Myanmars streitet das ab, räumt aber Sicherheitsmaßnahmen ein, nachdem militante Rohingya Ende August Polizeiposten überfallen hatten. Das mehrheitlich buddhistische Myanmar verweigert den muslimischen Rohingya die Staatsbürgerschaft, obwohl viele seit Generationen dort leben. Vor der jüngsten Fluchtwelle wurde ihre Zahl auf etwa 1,1 Millionen geschätzt.

Stundenlanges Warten auf Essen und Wasser

Jugendliche der Rohingya trügen ihre kleineren Geschwister auf dem Rücken durch den regennassen Schlamm der Grenzregion, so Unicef. Viele stünden täglich stundenlang in langen Schlangen vor Essensausgaben oder schleppten Wasserkanister für die Familien heran. Unicef hat sichere Zonen für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Dort können sie spielen und malen. In dem Bericht sind Zeichnungen von Kindern abgebildet. Darauf sind Hubschrauber und schießende Soldaten zu sehen, Menschen mit Macheten, die anderen den Hals durchschneiden, viele brennende Häuser und viel Blut.

„Nachts wache ich plötzlich auf und dann sehe ich die Leute, die erschossen worden sind“, zitiert Unicef den 16-jährigen Hossan. „Ich habe vier Klassenkameraden und einen Lehrer verloren.“ Zwei jüngere Geschwister der zehnjährigen Aisha seien umgekommen, weil Soldaten sie nicht aus dem Haus fliehen ließen. Drei Geschwister (16, acht und sieben) hätten zugesehen, wie ihr Vater ermordet wurde und hätten ihre Mutter auf der Flucht aus den Augen verloren. Die gebrechliche Großmutter kümmere sich um die drei. „Ich frage mich jeden Tag: wie soll ich sie ernähren, wie kann ich sie beschützten?“ sagte sie einer Unicef-Mitarbeiterin. (dpa)

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