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Viel Splitting bei der Bundestagswahl 2017.

© Stefan Sauer/dpa

Auswertung zur Bundestagswahl 2017: Frauen verließen Angela Merkel

Männer machten die AfD stark, vor allem im Osten. Die offizielle Statistik des Bundeswahlleiters birgt auch Überraschungen und zeigt, wer die fleißigsten Demokraten sind.

Georg Thiel hatte am Freitag etwas mitzuteilen, was es sonst so nicht gibt.  Der Bundeswahlleiter gab zwar nur Zahlen bekannt, aber sie sind einzigartig. Nur in Deutschland, berichtete Thiel, gibt es eine repräsentative Wahlstatistik, die auf einer Stichprobe von 2,2 Millionen Wählern in 2250 Stimmbezirken und 500 Briefwahlbezirken beruht. Weshalb die Deutschen ein bisschen besser als andere wissen, wer wo welche Partei gewählt hat – nach Geschlecht und Alter, so weit es das Wahlgeheimnis zulässt. Denn eine solche auf tatsächlichen Wahlentscheidungen beruhende Erhebung ist natürlich genauer als eine, die nur auf Umfragen basiert. Die Wahlzettel der Ausgewählten wurden dafür im Wahllokal mit einem Aufdruck ausgegeben: Mann, Frau, Altersgruppe. Rückschlüsse auf einzelne Wähler lässt das nicht zu.

Einiges fällt auf bei der Bundestagswahl vom 24. September 2017. So hat die CDU mit Angela Merkel an der Spitze bei den Frauen nicht mehr so gut punkten können wie noch vier Jahre zuvor. Aber der Kanzlerinnenverein ist für Frauen immer noch ein bisschen wählbarer als für Männer: 29,8 Prozent der Wählerinnen votierten für die CDU, aber nur 23,5 Prozent der Wähler (bei insgesamt 26,8 Prozent). Einen weiblichen Überhang verzeichnet übrigens auch die CSU. Und natürlich ist das bei den Grünen so – 10,2 zu 7,6 lautet die Prozentrelation zugunsten der Frauen. Die Sozialdemokraten sind gendermäßig die Partei der Gleichheit (je 20,5 Prozent der Frauen und Männer wählten SPD), während Linke, FDP und AfD - mit steigender Tendenz in dieser Reihenfolge - Männerparteien sind. Mit einem 16,3-Prozent-Anteil kommt hier die AfD der SPD schon recht nahe.

Union vorn in allen Altersgruppen

Die Union liegt in allen Altersgruppen vorne, auch bei den Jungwählern. Durchweg den zweiten Platz erringt die SPD, wobei in der Gruppe zwischen 35 und 44 Jahren die AfD fast gleichauf liegt bei jeweils etwa 15 Prozent. Union und SPD dominieren unter den Älteren stärker als unter den Jüngeren. Den dritten Rang in allen Altersgruppen zwischen 25 und 70 Jahren hält die AfD. Bei den ganz jungen Wählern sind die Grünen auf dem dritten Platz, knapp vor der FDP. Die Freien Demokraten wiederum sind Dritte beiden Alten über 70 Jahren (unter denen die Grünen wenig zu melden haben). Allerdings ist der FDP-Anteil quer durch alle Altersklassen am konstantesten, wobei der stärkste Zuwachs in Prozent gegenüber 2013 bei den Jüngsten zu verzeichnen war. Auch der Linken-Anteil schwankt wenig. Die Grünen werden schwächer, je älter die Wähler sind. Dass die große Koalition deutliche Einbußen hatte, lag vor allem an den Einbrüchen in den mittleren Jahrgängen, wo die AfD am ehesten punkten konnte.

Teilt man nach West und Ost ein, dann wird deutlich: SPD, Grüne und FDP haben eine klare West-Neigung, die CDU wird hier wie dort gleichermaßen gewählt, Linke und AfD sind mit deutlicher Gewichtung Ost-Parteien. Unter ostdeutschen Männern liegt die AfD (27,6 Prozent) sogar vor der CDU (23,3 Prozent) und ist damit die stärkste Männerkraft im Osten. In den mittleren Jahrgängen zwischen 35 und 59 wählte jeder dritte ostdeutsche Mann die Rechtspartei.

Rekord beim Stimmensplitting

Stimmensplitting wurde bei der Wahl 2017 so häufig praktiziert wie noch nie zuvor – 27,3 Prozent der Wähler vergaben nach der Statistik ihre Erst- und Zweitstimmen an unterschiedliche Parteien. Wähler von CDU, CSU, SPD und auch AfD neigen eher nicht dazu, um die 80 Prozent geben die Erststimme den Kandidaten der Parteien, für die sie mit der Zweitstimme votierten. Und wenn sie splitten, dann verteilen sich die Erststimmen ohne klare Favoriten. Auch die Linken-Wähler sind eher parteitreu. Dagegen splittete die Hälfte der Grünen-Wählerschaft, am ehesten zugunsten der SPD, wohl um deren Direktkandidaten zu stützen, aber in vielen Fällen auch pro Union. Bei der FDP zogen sogar 56 Prozent der Wähler (wenn man von der Zweitstimme ausgeht) Kandidaten anderer Parteien vor, mit einer klaren Präferenz der Union vor der SPD. Wie immer ist hier freilich die Frage, ob es echte FDP-Anhänger sind, die mit Erststimme Unions-Kandidaten stärken wollen (weil FDPO-Kandidaten keine Chance auf Direktmandate haben, oder ob es eher Anhänger der Union sind, die zwar den eigenen Wahlkreiskandidaten stützen, aber per Zweitstimme für die FDP entweder Unzufriedenheit mit dem Kurs der Union dokumentieren wollen oder aber schwarz-gelbe Koalitionswähler sind. Jedenfalls ist der hohe Splitting-Anteil ein Indiz dafür, dass die Stammwählerschaft der FDP geringer ist als bei anderen Parteien.

Ältere dominieren die Wahl

Dass die Älteren die Wahl entschieden haben, ist kein neuer Befund dieser Bundestagswahl. Schon immer, seit 1953, schafften es die Erst- und Jungwähler nicht in der Geschlossenheit anderer Altersgruppen, sich zum Wählen aufzuraffen. Die Wahlbeteiligung der Wahlberechtigten unter 29 Jahren ist konstant unter dem Durchschnitt gewesen. Und seit jeher stand der jugendlichen Wahlfaulheit eine überdurchschnittliche Wahlbeteiligung der mittleren Jahrgänge gegenüber – wobei die Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren stets unter den aktivsten Wählern war. Die Alten über 70 werden dann wieder wahlmüder. Dass die Älteren einen immer höheren Anteil an der Wählerschaft haben, bedeutet freilich, dass die Jungen unabhängig vom Wahleifer mittlerweile das Nachsehen haben: Noch 1990 war fast jeder vierte Wahlberechtigte jünger als 30, eine Generation später war es 2017 nur noch jeder siebte.

Da verwundern denn auch zwei Erkenntnisse aus dieser Wahl nicht. Die fleißigsten Demokraten in Deutschland sind die Männer zwischen 60 und 69 in Rheinland-Pfalz, von denen 83,5 Prozent zur Wahl gingen. Dagegen finden sich die größten Wahlmuffel ausgerechnet in Sachsen-Anhalt, das den Anspruch erhebt, das Land der Frühaufsteher zu sein: Nur gut die Hälfte der Männer zwischen 21 und 24 ging dort zur Wahl.

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