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Unter Bürgerinnen und Bürgern. Angela Merkel in der Wahlarena.

© AFP

ARD-Wahlarena mit Angela Merkel: Wie sich das Volk den Wahlkampf zurückholt

Die Bürger bewegen im Wahlkampf offenbar ganz andere Dinge als in manchen Fernsehformaten zum Ausdruck kommt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Am Montagabend ist der Wahlkampf im Fernsehen vom Kopf auf die Füße gestellt worden. 150 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger fragten Bundeskanzlerin Angela Merkel, und haften blieben nicht nur engagierte, relevante Fragen und zumindest kenntnisreiche Antworten. Eklatant war auch der Unterschied zum Inhalt des TV-Duells vor gut einer Woche. Die Fixierung der vier Moderatoren des Duells auf das Thema Flüchtlinge und Innere Sicherheit wirkt jetzt noch schräger.

Was Deutschland bei dieser Wahl bewegt? Die Wahlarena dürfte dabei einen guten Einblick gegeben haben. Die Interessen sind eben deutlich vielseitiger. Und eine solche Sendung ist aussagekräftiger, als wenn die Befragten vorgegebene Themen wie Terrorgefahr, Arbeitsmarkt, Bildung, Mobilität, Digitalisierung, Integration in eine für sie wichtige Reihenfolge bringen sollen.

Gleiches Thema, aber andere Perspektive

Eine Frau mittleren Alters stellte die Altersarmut in den Mittelpunkt, eine Landwirtin wollte wissen, warum die Bundesregierung die Höfe sterben lasse, ein Biologe nahm die Bundeskanzlerin beim Umweltschutz mit überfischten und von Plastik vermüllten Meeren in die Pflicht. Es ging genauso um die Obergrenze bei Flüchtlingen wie um Kita-Gebühren. Weil es nicht bei einer kurzen Frage blieb, sondern sich oft ein kleiner Dialog ergab, blieb es auch nicht an der Oberfläche. Merkel konnte sagen, was ihre Kabinette schon getan haben, was sie noch vorhat, aber ebenso deutlich wurde, was sie nicht leisten kann.

Wenn dann einmal das Thema das gleiche war wie zuletzt beim TV-Duell, dann unterschied sich die Perspektive der Fragen: Ein Rechtsanwalt mit türkischen Wurzeln wollte wissen, was die Bundeskanzlerin tun könne, damit Erdogan nicht auf Deutschland einwirken könne und ein Autoverkäufer, was dieses Land falsch gemacht habe, dass so viele auch gut verdienende Menschen mit türkischen Wurzeln Erdogan feiern.

Ein bewegender Moment

Das Format war auch keineswegs „Freundliche Bürger fragen freundlich – Kanzlerin antwortet.“ Ein junger Pfleger holte mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde aus, warf Merkel vor, in zwölf Jahren viel zu wenig gegen den Pflegenotstand getan zu haben und hakte nach ihren Erläuterungen noch einmal nach, wo denn all die Pflegekräfte herkommen sollen, die zur Besserung der Lage dringend gebraucht werden. Die Sendung bekam sogar noch einen bewegenden Moment, als eine Fragerin mit Down-Syndrom wissen wollte, warum denn bei Down-Syndrom Spätabtreibungen erlaubt seien.

Die Bürgerinnen und Bürger holten sich am Montag den Wahlkampf etwas zurück. Das heißt aber nicht, dass Journalisten im Wahlkampf nicht gebraucht werden. Ganz im Gegenteil. Dass die Wahlarena so gut funktionierte, lag gerade auch an den beiden Journalisten, an Sonia Mikich und Andreas Cichowicz. Sie moderierten im besten Sinne, unterstützten aber auch bisweilen die Frager, indem sie ihnen zur Seite sprangen oder eine Information beisteuerten.

Das Format reizt auch nicht so sehr zum Werfen von Nebelkerzen wie das direkte Aufeinandertreffen der Kandidaten. Die Wahlarena entlarvte jedenfalls noch einmal die ganze Inszenierung des TV-Duells mit Fankurve vor dem Aufnahmestudio, Interpretationsmarathon hinterher und den Meinungsumfragen, wer denn nun wo besser gewesen sei. Wenn der Wahlkampf wirklich inhaltlich aufgeladen werden sollte, spräche einiges dafür, beim nächsten Mal einfach die Plätze zu tauschen. Und die Wahlarena zur besten Tatort-Zeit am Sonntag laufen zu lassen anstatt wie diesmal am Montag.

Die Wahlarena mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz läuft am nächsten Montag um 20.15 Uhr in der ARD.

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