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Der weiße Lieferwagen, den die Angreifer benutzten, wird am Sonntagabend über die London Bridge abtransportiert.

© AFP/Odd ANDERSEN

Update

Anschlag in London: Das Protokoll des Terrors

In Großbritannien hat sich der dritte Anschlag binnen weniger Monate ereignet. Die Polizei ermittelt fieberhaft, um Hergang und Hintergründe auszuleuchten. Was bisher über die Attacke in London bekannt ist - und was nicht.

Mindestens sieben Tote und Dutzende Verletzte - das ist die Bilanz der Attacke, die am Samstagabend in London verübt wurde. Es war bereits der dritte Anschlag in Großbritannien in weniger als drei Monaten. Ende März hatte ein mutmaßlich islamistischer Attentäter im Zentrum Londons fünf Menschen getötet. Am 22. Mai riss ein Selbstmordattentäter bei einem Pop-Konzert in Manchester 22 Menschen mit in den Tod.

London war geschockt. London trauert. Aber Großbritannien trotz auch dem Terror - und die Polizei ermittelt fieberhaft Hergang und Hintergründe der Tat. Am Sonntagabend setzten sich die Angaben der Behörden und Berichte von Augenzeugen und Medien zu einem vorläufigen Bild zusammen.

Was ist am Samstag in London passiert?

Um 21.58 Uhr Ortszeit (22.58 Uhr MESZ) kommt ein weißer Lieferwagen von Norden auf die London Bridge und fährt mit hoher Geschwindigkeit in Fußgänger auf dem Gehweg hinein. BBC-Reporterin Holly Jones, die zufällig vor Ort ist, schätzt, dass der Lieferwagen etwa 80 Stundenkilometer schnell fuhr. Er rast schließlich gegen einen Zaun an der Southwark Cathedral.

Kurz danach werden mehrere Messerangriffe aus dem populären Ausgehviertel Borough Market auf der Südseite der Brücke gemeldet. Mit Messern bewaffnete Männern stürmen in die nahegelegenen Bars und greifen Passanten und Barbesucher an.

Um 22.08 Uhr Ortszeit (23.08 Uhr MESZ) wird die Polizei alarmiert. Schnell sind Einsatzkräfte vor Ort, die die drei Angreifer acht Minuten nach dem ersten Notruf erschießen. Nach Angaben der Polizei geben sie dazu 50 Schüsse ab und fügen dabei auch einem Unbeteiligten eine Schusswunde zu. Die vermeintlichen Sprengstoffwesten an den Körpern der Angreifer entpuppen sich als Attrappen.

Die Identität der Täter ist bisher nicht bekannt. Zu ihren Beweggründen machte die Polizei bislang auch keine näheren Angaben. Die britische Premierministerin Theresa May erklärte allerdings, dass sie von islamistischer Ideologie getrieben gewesen seien. Mehrere Augenzeugen sagten dem Sender BBC, die Angreifer hätten "Das ist für Allah" gerufen, als sie wahllos auf Menschen einstachen. Am Sonntagabend reklamierte die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat den Anschlag für sich. Eine "Abteilung" des IS habe den Angriff verübt, erklärte das IS-Sprachrohr Amak. Offen ist allerdings noch, ob die polizeilichen Ermittlungen in dieselbe Richtung weisen.

Was ist über die Opfer bekannt?

Die Angreifer töteten mindestens sieben Menschen, bevor sie selbst getötet wurden. Zu den Todesopfern zählen mindestens ein Franzose sowie ein kanadischer Staatsbürger.

48 Verletzte wurden in Krankenhäuser eingeliefert, mehrere weitere Menschen behandelten die Rettungskräfte vor Ort. Am Sonntag wurden noch 36 Verletzte stationär behandelt. Davon schwebten nach Angaben der Gesundheitsbehörden 21 in Lebensgefahr. Zu den Schwerverletzten zählt ein Polizist, der als einer der ersten am Anschlagsort eintraf. Ihm wurde ins Gesicht und ins Bein gestochen.

Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wurden auch zwei Deutsche verletzt. Eines der deutschen Opfer erlitt demnach schwere Verletzungen.

Gab es außer den drei Angreifern weitere Beteiligte?

Die Polizei nahm im Zusammenhang mit dem Anschlag am Sonntag im multi-ethnischen Stadtteil Barking im Osten von London zwölf Menschen fest. Der Fernsehsender Sky News berichtete, dass unter anderem die Wohnung eines der drei Angreifer durchsucht worden sei. Mark Rowley von der Londoner Polizei erklärte, er sei "zunehmend zuversichtlich, dass diese Attacke von drei Individuen verübt" worden sei. Den Lieferwagen hatte einer der Täter kurz vorher angemietet.

Am Sonntagabend teilte Rowley mit, dass unter den zwölf Festgenommen aus Barking sieben Frauen zwischen 19 und 60 Jahren sowie fünf Männer zwischen 27 und 55 Jahren sind. Der 55-Jährige wurde inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt, weil gegen ihn nichts vorliegt. In welchem Verhältnis die Personen zu den drei Attentätern stehen, ergibt sich aus der Stellungnahme. Die Polizei kündigte jedoch an, so bald wie möglich die Identität der Terroristen bekanntzugeben. An vier Orten würden gegenwärtig noch Durchsuchungen vorgenommen. An zwei Wohnadressen in Newham habe es keine Festnahmen gegeben, obwohl dort mit mehreren Leuten gesprochen worden sei.

Warum wählten die Attentäter diesen Ort für ihren Angriff?

Die London Bridge ist eine der Hauptverkehrswege ins Herz der Londoner City, des Finanzplatzes der Stadt. Borough Market am Südende der Brücke ist eine weltberühmte Markthalle. Die Umgebung ist für ihre Bars und Cafés bekannt und bei Nachtschwärmern beliebt.

Der Anschlag ereignete sich unweit des Bahnhofs London Bridge, der auch ein wichtiger Umstiegsort des Londoner U-Bahnnetzes ist. Auch der Wolkenkratzer "The Shard", das höchste Gebäude Großbritanniens, befindet sich in der Nähe.

Wie haben die Behörden auf den Angriff reagiert?

Wegen der vorherigen Angriffe in Großbritannien befanden sich die Behörden bereits im Alarmzustand. Bewaffnete Polizisten und Krankenwagen waren schnell am Anschlagsort. Der Bahnhof London Bridge wurde geschlossen und die Polizei riegelte die Umgebung schnell ab.

Auf Fotos ist zu sehen, dass die Polizei Menschen mit erhobenen Händen vom Anschlagsort wegführte. Am Sonntag um 0.25 Uhr Ortszeit (1.25 Uhr MESZ) erklärten die Behörden, bei dem Angriff an der London Bridge handele es sich um "terroristische Vorfälle".

Die britische Premierministerin Theresa May bekräftigte diesen Verdacht. Sie kündigte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in London neue Anti-Terror-Maßnahmen an, darunter ein entschlosseneres Vorgehen gegen islamistische Propaganda im Internet und härtere Strafen für Terrordelikte. Zugleich kündigte sie an, dass die Parlamentswahl am kommenden Donnerstag wie geplant stattfinden soll. (Tsp, AFP)

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