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Spediteur Ariel Zurawski verlor seinen Cousin und Fahrer Lukasz Urban.

© Stefan Sauer/dpa

Anschlag in Berlin: Polen ermittelt weiter zum Tod des Lkw-Fahrers

Der Mord am polnischen Fahrer Lukasz Urban ist nicht restlos geklärt. Rechte Politiker sehen Fehler bei Merkel.

Hundert Aktenordner aus Deutschland harren in der westpolnischen Grenzstadt Szczecin (Stettin) der weiteren Auswertung. Sie betreffen den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz vor Jahresfrist, dessen erstes Opfer der polnische Fernfahrer Lukasz Urban wurde. Mit dessen 40-Tonner war Amri am 19. Dezember 2016 in den Weihnachtsmarkt gebraust.

„Wir gehen davon aus, dass Anis Amri nicht alleine gehandelt hat“, sagt Aldona Lema, die Stettiner Oberstaatsanwältin im Stettiner Lokalradio. Da der Aktenberg so groß ist, hat Lema nun um eine Verlängerung der polnischen Untersuchungen gebeten. Sie habe vor allem das Ziel, Fahrhelfer von Amri ausfindig zu machen.

Der Attentäter hatte Urban laut bisherigen Erkenntnissen noch auf einem Parkplatz am Friedrich-Kruse-Ufer beim Westhafen ermordet und war von dort mit dem Opfer zum Breitscheidplatz gefahren. Zuerst hatte es geheißen, der Pole sei zu der Terror-Fahrt gezwungen worden; auch soll er noch lange gekämpft und Amri von der Fahrt abzuhalten versucht haben.

Dass Urban schon am Westhafen gegenüber dem Thyssen-Krupp-Betriebsgelände erschossen wurde, ist für die polnische Staatsanwaltschaft durchaus nicht geklärt. Deshalb werde der Tod Urbans weiter untersucht.

Es gab keine Entschädigung für den Lastwagen

Indirekt widersprach die Stettiner Staatsanwältin am Freitag indes polnischen Verschwörungstheorien, wonach die Berliner Polizei – und nicht Attentäter Amri – den Lastwagenfahrer erschossen haben soll. Dieses Gerücht hatte der polnische Spediteur Ariel Zurawski gegenüber einem Reporter der Deutschen Welle vor ein paar Tagen noch einmal zum Besten gegeben.

Der Besitzer des inzwischen verschrotteten Lastwagens fühlt sich von den deutschen Behörden übergangen. Die 10 000 Euro Opferhilfe, ein Jahresdurchschnittseinkommen in Westpolen, hat er zwar erhalten, allerdings keine Entschädigung für den von Amri arg lädierten Lastwagen und den daraus resultierenden Verdienstausfall.

Einzig einen Aufschub von Zurawskis Leasinggebühren konnte der von der Bundesregierung eingesetzte Opferbeauftragte, Kurt Beck (SPD), bei der schwedischen Lastwagenfirma „Scania“ erreichen. Zurawski lässt sich inzwischen in Deutschland von Stefan Hambura vertreten, einem rechten Anwalt mit Beziehungen zur polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS).

„Man hat meinem Mandanten Almosen angeboten, 10 000 Euro sind absurd“, sagt Hambura und fordert das Zehnfache. Darüber hinaus will er, dass die Bundesregierung einen mit 300 Millionen Euro ausgestatteten Breitscheidplatz-Opferfonds einrichtet.

Den Lastwagen selbst hat übrigens die „Scania“-Vertretung in Warschau verschrotten lassen. Spediteur Zurawski hatte dort nach Bedarf geleast. Erst im April – mehr als vier Monate nach dem Attentat – ist der Laster, der zur Mordwaffe geworden war, nach Abschluss der deutschen Ermittlungen aus Berlin an die Staatsanwaltschaft in Stettin überführt worden. Diese untersuchte ihn noch einmal und gab ihn dann an die „Scania“-Vertretung in Warschau zurück.

Ein Pressesprecher gab an, dass das Fahrzeug „aus ethischen Gründen“ verschrottet worden sei. Spediteur Zurawski hat seinen Laster nur noch einmal, im Februar 2017, auf dem Gelände der Berliner Bereitschaftspolizei an der Ruppiner Chaussee gesehen.

Lukasz Urbans Eltern warten auf ein Kondolenzschreiben von Merkel

Obwohl die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen angespannt sind und trotz mancher anti-deutscher Äußerung hat Polens Regierungspartei PiS im Fall des Breitscheidplatz-Attentats keine zusätzlichen Konflikte geschürt.

Die Ermordung des Fernfahrers Lukasz Urban ist denn auch in Polen nur selten Thema. Nur die beiden Boulevardzeitungen „Fakt“ und „Super Express“ erinnerten am Montag an Urban und die Tatsache, dass die deutsche Polizei Amri zwar zwei Jahre lang beschattet hatte, das Attentat aber nicht verhindern konnte.

Rechte Regierungspolitiker weisen immer wieder darauf hin, dass die ihrer Ansicht nach falsche „Willkommens-Politik“ Angela Merkels und der westeuropäische „Multikulturalismus“ einen Nährboden für islamistischen Terror bieten würden. In diesen Diskurs passt auch das polnische Terroropfer Lukasz Urban. Dessen Eltern haben der Deutschen Welle inzwischen gesagt, dass sie ein persönliches Kondolenzschreiben von Merkel erwarten.

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