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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Amtskollege Werner Faymann (SPÖ) aus Österreich am Dienstag im Kanzleramt in Berlin.

© dpa

Angela Merkel rechtfertigt Flüchtlingspolitik: "Dann ist das nicht mein Land"

Als bei der Pressekonferenz mit ihrem österreichischen Amtskollegen Werner Faymann Kritik an der Flüchtlingspolitik Angela Merkels aufkommt, wird die Kanzlerin emotional - und sehr grundsätzlich.

Von Hans Monath

Manchmal ist sogar bei Spitzenpolitikern zu spüren, wenn Kritik sie ganz persönlich trifft. Am Dienstagnachmittag ist so ein Moment. Es geht um die Bundeskanzlerin und das große Thema Flüchtlinge, das seit Tagen alle politischen Kräfte bindet.

Angela Merkel hat gerade mit dem österreichischen Bundeskanzler über gemeinsame Anstrengungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gesprochen, nun berichtet sie gemeinsam mit Werner Faymann im Foyer des Kanzleramtes von dem Treffen und stellt sich den Journalistenfragen.

Als es um den Vorwurf geht, Merkel habe mit politischen Signalen dazu beigetragen, die Zahl der Flüchtlinge noch zu steigern, wird die Kanzlerin zugleich grundsätzlich und emotional. Sie weiß, dass nicht nur die CSU, sondern auch Teile der eigenen Partei ihre Entscheidung von vor zehn Tagen, die Grenzen für Flüchtlinge aus Ungarn zu öffnen, für falsch halten. Auch viele Landesregierungen sind unzufrieden mit dem Beschluss, ächzen unter der Last, die vielen Menschen unterzubringen.

Die Sache sei "aus dem Ruder geraten", hat am Sonntag sogar ihr Innenminister Thomas de Maizière (CDU) eingestanden. Anders als er geht Merkel keinen Schritt zurück, auch die vorübergehende Wiedereinführung der Grenzkontrollen im Dienst der Sicherheit ist für sie kein Bruch mit der großen Linie der Offenheit.

"Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen, dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land", erklärt sie. In anderen Worten: Für die CDU-Chefin geht es um alles. "Ich sage wieder und wieder, wir können das schaffen, und wir schaffen das", meint sie.

Die Kanzlerin verweist auf den Entscheidungsdruck

Das erste Willkommenssignal an die Flüchtlinge, so beschreibt es Merkel, habe nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen im sächsischen Heidenau gar nicht sie selbst gegeben. Es sei vielmehr von den Menschen am Münchner Hauptbahnhof gekommen, die klatschend die Flüchtlinge empfangen hatten. Und wieder wird die Kanzlerin grundsätzlich: "Wenn wir zum Schluss sagen, es war ein Fehler, dass ihr die Menschen freundlich empfangen habt am Münchner Hauptbahnhof, dann könnt ihr sehen, was ihr davon habt, dann akzeptiere ich das einfach nicht."

Merkel erinnerte auch noch einmal an die dramatischen Stunden vor zehn Tagen, als Faymann sie angerufen hatte und ihr von Tausenden von Flüchtlingen berichtete, die sich aus Ungarn auf den Weg gemacht hatten. "Es gibt Situationen, in denen muss entschieden werden", sagt sie zu den Beschwerden aus Bundesländern, die sich von ihrem Entschluss überrumpelt fühlten: "Ich konnte nicht zwölf Stunden warten, die Leute sind auf die Grenze zumarschiert."

Aber auch Grenzen deutscher Hilfsbereitschaft markiert Merkel – bei der Frage der Niederlassungsfreiheit. Das Dublin-Abkommen gelte: Der EU-Staat sei zuständig, den ein Asylbewerber zuerst erreicht. Wer dort registriert sei, habe in Deutschland keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung, sagt die Kanzlerin.

Auch der Regierungschef des Landes, das mit Deutschland und Schweden zusammen in der EU die meisten Flüchtlinge aufnimmt, würdigt ihren Entschluss. "Ich bin dir sehr dankbar, dass du nicht zögerlich warst", sagt Faymann und bekennt sich in der Flüchtlingsfrage zu einem Kurs der Humanität: "Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken", sagt er. Und: "Es soll niemand sein Leben verlieren auf der Suche nach Schutz."

Alleine lösen können beide Länder das Problem nicht, da sind sich die Kanzlerin und ihr Gast einig. Deshalb dringen sie auf einen EU-Sondergipfel, der allerdings die strittige Frage einer verbindlichen Quote zur Verteilung der Flüchtlinge in Europa aussparen soll.

Regierungsmitglieder und Ministerpräsidenten beraten im Kanzleramt

Nach der Sondersitzung des Bundeskabinetts kamen die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin und einigen Mitgliedern des Bundeskabinetts zusammen, um das Flüchtlingsthema zu erörtern. Merkel machte deutlich, dass sie selbst bei diesem Treffen nicht mit weitreichenden Entscheidungen rechnete.

"Heute Abend wird nicht der 24. September vorgezogen", sagte sie mit Blick auf das für dieses Datum geplante Bund-Länder-Spitzentreffen, bei dem es um Finanzfragen und mögliche rechtliche Änderungen im Blick auf das Asylverfahren gehen soll. Mit der zeitweisen Einführung der Grenzkontrollen werde nun versucht, „die Flüchtlinge gleich an der Grenze“ zu kontrollieren und dann im Bundesgebiet zu verteilen. Die Länder könnten mit der Hilfe der Bundeswehr bei der Verteilung und Unterbringung der Flüchtlinge rechnen, versicherte sie.

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