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Angela Merkel selbst war sich nicht sicher, ob es gut wäre, sich eine weitere Amtszeit zuzumuten.

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Angela Merkel: Die ewige Kanzlerin? Unersetzlich ist niemand

"Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden", hat Angela Merkel mal gesagt. Handelt sie danach? Ein Kommentar.

Und am Ende wird es doch schwierig. Die an der Spitze des Landes stehen, nehmen sich zwar alle vor, den richtigen Zeitpunkt zu finden, loszulassen. Aber wer schafft das schon. Je näher der Zeitpunkt rückt, desto mächtiger wird das Gefühl der Unersetzlichkeit. Bis es übermächtig ist. Wie soll es ohne mich gehen? Das kann doch nicht gehen!

Wer die Macht hat, den verführt sie auch. Aber die Lücke, die einer oder eine lässt, die füllt ihn oder sie voll aus. Unersetzlich ist niemand. Nicht einmal die ganz Großen waren es. In der Politik ist das ein Grundgesetz, angelehnt ans alte Rom und seine Kaiser: Bedenke, dass du ersetzbar bist. Es muss nur immer einen geben, der das dem Amtsinhaber flüstert, zumal auf dem Höhepunkt der Laufbahn. Der Zenit mag eine Hochebene sein, eines ist gewiss: Ihm folgt der Abstieg.

Die Friedhöfe sind voll von Leuten, die sich für unentbehrlich hielten, sagte Georges Clemenceau, einst französischer Premier. Von Konrad Adenauer bis heute gilt es, das als Erkenntnis anzuwenden. Und Demut vor dem Amt walten zu lassen, sich nicht wichtiger als die Aufgabe zu nehmen. Womit wir bei Angela Merkel wären. Ihre Zeit ist vorbei, schreiben inzwischen selbst die ihr Wohlgesinnten. Eine Frau von gestern sei sie. Mag sie auch im Heute noch verankert sein – Merkel ist als Bundeskanzlerin am Rande der Hochebene angelangt.

Und sie sieht es. Weiß es längst. Merkel selbst war sich ja nicht sicher, ob es gut wäre, sich eine weitere Amtszeit zuzumuten. Sie zweifelte, sogar auf einem Parteitag, nur so, dass die, die den Hilferuf überhören wollten, ihn auch überhören konnten. Sie habe sich die Sache nicht leichtgemacht und halte sich auch nicht für unersetzlich, sagte Merkel im November vergangenen Jahres, als sie öffentlich ihre vierte Kanzlerkandidatur erklärte.

Man kann es auch eine geistige Erneuerung nennen

Nur wie sie ihre Entscheidung erklärte! Merkel tat es in einer Weise, die doch wieder alles infrage stellte, was an Erkenntnis da war: Die Pflicht. Die unsicheren Zeiten. Die Zukunft der demokratischen Gesellschaft. Der Brexit, Russland, die USA, die Welt. Alles das – bloß eine Idee, wofür sie wieder die Macht haben wollte, eine, die für vier weitere Jahre trägt, hatte sie nicht. Wie so oft fehlten Merkel zwar nicht die Worte, aber der Begriff, aus dem klar wird, dass die Union mit ihr nach zwölf Jahren im Amt eine Erneuerung schaffen kann, ihre und die der Republik. Man kann es auch eine geistige Erneuerung nennen.

„Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden“, hat Angela Merkel vor vielen Jahren einmal gesagt. Sie wusste, dass es schwierig wird, so viel schon damals. Doch handelt sie heute nicht danach: Weil es mit den Jahren schwieriger wird, loszulassen. Dabei gab es, angefangen bei Adenauer, in all den Jahren Bundeskanzler, die Deutschland vorangebracht haben. Andere Länder beneiden uns Deutsche um diese Konstante.

Ein großer Kanzler, Helmut Schmidt, hielt sich an Marc Aurel, den großen römischen Kaiser. Der riet: „Lass dich das Zukünftige nicht anfechten, du wirst, wenn es nötig ist, schon hinkommen, getragen von derselben Geisteskraft, die dich das Gegenwärtige beherrschen lässt.“ Wer nun schon das Gegenwärtige nicht mehr so recht beherrschen kann, für den ist die Zeit gekommen, den anderen zurufen: keine Angst vor morgen! Nach Helmut Schmidt kam ja auch ein großer Kanzler.

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