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Trendet. Alternative Fakten haben auf jeden Fall das Zeug zum Unwort des Jahres.

© dpa

Alternative Fakten: Donald Trump und seine Wahrheiten aus dem Versandhandel

Donald Trump verbreitet seine eigenen Wahrheiten. Mit Empörung ist dem nicht beizukommen, mit Gelassenheit aber auch nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Die Dreistigkeit, mit der Donald Trump der Welt etwas vormacht, hat schon am ersten Wochenende seiner Amtszeit einen Begriff gefunden. Alternative Fakten. Eine Wortschöpfung seiner Beraterin Kellyanne Conway. Das postfaktische Zeitalter liegt also hinter uns. Fakten sollen es noch sein, weil sie irgendwie gebraucht werden, und sei es als Würzmittel für eine Geschichte. Aber eben immer nur die eigenen. Die anderen sind doch alle falsch

Als Donald Trump am Freitag seinen Eid schwor, waren so viele Menschen in Washington zugegen wie noch nie zuvor bei der Amtseinführung eines US-Präsidenten. Verbreitet hat das Trumps Sprecher Sean Spicer. Obwohl Zahlen und Bilder etwas ganz anderes belegen. Kellyanne Conway taufte Spicers Aussagen alternative Fakten. Und fragte noch: Was soll die Aufregung?

Mit Aufregung, mit Empörung und womit sich ein verletzter Gerechtigkeitssinn sonst zu wehren versucht, ist dem neuen Präsidenten und seiner Mannschaft tatsächlich nicht beizukommen. Mit demonstrativer Gelassenheit und der Gewissheit, es besser zu wissen, aber auch nicht.

Mehr Recherche von Journalisten wird nicht reichen

Dafür steht gerade zu viel auf dem Spiel. Wer will sich schon eine andere Wirklichkeit überstülpen lassen? Was bedeutet es für die politische Auseinandersetzung, wenn einem nach jeder Tatsache, die dem anderen nicht in den Kram passt, „Lüge“ entgegengebrüllt wird? Und welche Konsequenzen hat das für die Beziehung zwischen Bürgern und Staat, wenn ihr oberster Repräsentant sich nicht für die Wahrheit interessiert?

Trump hat längst den Eindruck bestätigt, er halte es mit der Wahrheit wie mit dem Versandhandel. Er sucht sich etwas aus und bestellt. Was ihm nicht passt, geht zurück. War eben falsch verarbeitet.

Von den Medien, von wem sonst. Mit ihnen sieht sich Trump in einem „Krieg“. Diese Kriegserklärung dürfen Journalisten jedoch nicht annehmen. Es geht nicht um Waffen, sondern um einfaches Handwerkszeug. Die beiden bedeutenden Zeitungen „Washington Post“ und „New York Times“ wollen mit noch mehr Recherche antworten. Das ist richtig. Und wird doch nicht reichen. Zumal Trump Journalisten am Wochenende noch einmal unter persönlichen Generalverdacht gestellt hat. Sie gehörten „zu den unehrlichsten Menschen der Erde“. Eine sensationelle Unverschämtheit.

Genauso wichtig wie Recherche wird sein, sich Trump auf seinem eigenen Spielfeld entgegenzustellen, bei Twitter zum Beispiel, und das darf nicht Medien allein überlassen werden. Es müssen mehr mitmachen, Bürger, andere Politiker, ausländische Regierungen, Institute. Jede falsche Behauptung muss ein x-faches Echo auslösen. Auch wenn es unglaublich viel Aufwand erfordert, jedes Mal aufs Neue mathematisch zu beweisen, dass eins und eins doch zwei ist, während per Twitter schon die nächste Behauptung aufgestellt wird.

Falsche Behauptungen zu widerlegen ist das eine. Aber es geht auch darum, eine Haltung zu verteidigen

Es geht dabei aber auch darum, eine Haltung zu verteidigen. Eine Gesellschaft braucht ein Mindestmaß an Verlässlichkeit und Vertrauen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, eine belegbare Tatsache anzuerkennen. Sonst ist kein Austausch möglich. Von Verständigung und Respekt einmal ganz zu schweigen. Wann wird einmal vom neuen Präsidenten ganz souverän und menschlich zu hören sein, er habe sich geirrt?

Die alternative Wirklichkeit raubt einer Gesellschaft auch eine Chance zur Weiterentwicklung. Wenn die besten Argumente nicht mehr zählen, unterliegt die Wahrheit einem Vier-Jahres-Plan.

Was sagt es eigentlich aus, dass ein Medienthema Trumps erstes Wochenende als Präsident bestimmt hat und kein politischer Inhalt? Zumal es Trump und sein Sprecher waren, die es dazu gemacht haben. Vielleicht, dass die USA im dichten Qualm von Nebelkerzen stehen. Solche Scharmützel können schließlich davon ablenken, dass sich politisch nichts bewegt. Und davon, dass Trump seine Steuererklärung nicht offenlegt.

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