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Beim größten UN-Gipfel aller Zeiten haben mehr als 120 Staats- und Regierungschefs die 17 neuen Nachhaltigkeitsziele verabschiedet, die für die kommenden 15 Jahre die globale Entwicklungsagenda werden sollen.

© Timothy A. Clary/AFP

Agenda 2030: Ein bisschen besser

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind eine anspruchsvolle Handlungsanweisung für die Welt. Doch damit daraus Politik wird, muss noch viel passieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Es ist oft schon schwierig, drei Partner zu einer Einigung zu bewegen. Das zeigt jeder größere Streit in der großen Koalition in Deutschland. 193 Partner auf 17 große Ziele und 169 Unterziele für eine bessere Welt festzulegen, ist eine wahre Kunst. Das ist den Vereinten Nationen im 70. Jahr ihres Bestehens auf dem größten Gipfeltreffen aller Zeiten an diesem Wochenende in New York gelungen. Die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele sind eine Blaupause für eine bessere Welt bis 2030. Darin bekennt sich Saudi-Arabien zur Gleichberechtigung der Frauen. Deutschland stimmt einer geordneten Migrationspolitik zu. Die USA erklären sich bereit, eine gerechtere Verteilung des Reichtums im eigenen Land anzustreben. China akzeptiert, dass die Überfischung der Ozeane beendet werden muss. Und Simbabwe ist für mehr Demokratie.
Der Zielekatalog ist so gekonnt ausbalanciert, dass am Ende kein Staat mehr riskieren wollte, eines der 169 Unterziele noch einmal ernsthaft in Frage zu stellen. Denn das hätte die eigenen Interessen dann auch gefährdet. Nun wenden Kritiker ein, dass bei 17 Zielen und 169 Unterzielen gar kein Ziel mehr erkennbar sei. Die Überwindung der Armut, argumentieren sie, rücke in den Hintergrund, auch wenn es immer noch die Nummer eins der neuen SDGs (Sustainable Development Goals) ist. Was sie übersehen, ist die Tatsache, dass der Erfolg bei der Bekämpfung der Armut in den vergangenen 15 Jahren dadurch erreicht worden ist, dass China die schnellste, schmutzigste und in ihrer Dimension gewaltigste Wirtschaftsentwicklung in der Geschichte der Industrialisierung erlebt hat.

Alles hängt mit allem zusammen

Mit den SDGs bekennt sich die Welt dazu, dass die Armut überwunden werden soll, aber ohne das Überleben auf der Erde zu riskieren. Die grenzenlose Zerstörung des Planeten soll nicht mehr die Voraussetzung für mehr Wohlstand bleiben.
Mit den neuen Nachhaltigkeitszielen haben die Regierungen der Welt und die Weltgemeinschaft der Vereinten Nationen anerkannt, dass die Überwindung der Armut allein durch ein ungebremstes weiteres zerstörerisches Wirtschaftswachstum nicht gelingen wird. Denn an den Küsten, auf den pazifischen Inselstaaten, in den halbtrockenen Savannen Afrikas machen sich die Folgen in Gestalt des Klimawandels bereits deutlich bemerkbar.

Der Klimawandel macht Erfolge zunichte

Die fortschreitende globale Erwärmung macht also die Wohlstandsgewinne anderswo gleich wieder zunichte. Die neuen Nachhaltigkeitsziele ignorieren diesen Zusammenhang nicht mehr. Keines davon kann erreicht werden, ohne Auswirkungen auf die Erreichbarkeit anderer Ziele zu haben. Und: Ohne eine überlebensfähige Umwelt, die natürlichen Ressourcen wie Wasser, Nahrung und Luft, sind die wirtschaftlichen und sozialen Ziele komplett unerreichbar.
Dass die 17 SDGs noch keine politische Strategie sind, liegt auf der Hand. Sie werden auch nicht alle mit dem gleichen Eifer und auch nicht überall zur Handlungsanleitung für die 193 Zeichnerstaaten. Zumal jetzt das Feilschen darüber losgehen wird, mit welchen Indikatoren Erfolg und Misserfolg überhaupt gemessen werden sollen.

Seit 70 Jahren gibt es die Vereinten Nationen. Doch als "Weltregierung" sind sie meistens eine große Enttäuschung. Dennoch haben sie es mit den neuen SDGs geschafft, sich anspruchsvolle Ziele zu setzen.
Seit 70 Jahren gibt es die Vereinten Nationen. Doch als "Weltregierung" sind sie meistens eine große Enttäuschung. Dennoch haben sie es mit den neuen SDGs geschafft, sich anspruchsvolle Ziele zu setzen.

© Matt Campbell/dpa

Für einige der 169 Unterziele gibt es noch nicht einmal in entwickelten Staaten wie Deutschland genügend verwertbares statistisches Material. In vielen Entwicklungsländern sind die nationalen Statistiken notorisch unzuverlässig und oft veraltet. Das sind die Mühen der Ebenen, die nun national und global durchschritten werden müssen. Im besten Fall werden die 193 höchst unterschiedlichen UN-Staaten aber etwas vergleichbarer – und fühlen sich durch diesen Vergleich angespornt, mehr zu tun, um den Planeten lebensfähig zu erhalten und das Leben der Menschen darauf zu verbessern. Dass China und die USA sich den UN-Nachhaltigkeitsgipfel ausgesucht haben, um ihre umfassenden Vereinbarungen für mehr Klimaschutz öffentlich zu machen, ist ein gutes Zeichen. Und das nicht nur für den Pariser Klimagipfel im Dezember. Sie geben dem Gipfel die Verbindlichkeit, die nötig ist, um die SDGs in den kommenden 15 Jahren in Politik zu verwandeln. Ein Anfang ist gemacht.

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