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Die Gates-Stiftung unterstützt Gesundheitsprojekte in Afrika.

© Thomas Schulz, p-a

Afrika bei der Sicherheitskonferenz: "Entwicklungspolitik muss Teil der globalen Sicherheitsstrategie sein"

Mark Suzman, Präsident der Gates-Stiftung, über die globale Gesundheit als Thema für eine Sicherheitskonferenz. Ein Interview.

Von Anna Sauerbrey

Der neue Fokus auf Migration dürfe nicht zu Lasten bestehender Programme zu Lasten bestehender Programme zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Afrika gehen. Das fordert Mark Suzman, Chefstratege und Präsident der Bill and Melinda Gates-Stiftung.

Im Programm der Münchner Sicherheitskonferenz spielt Afrika eine untergeordnete Rolle. Wo bleibt Afrika als strategische Herausforderung? 

Noch vor drei oder vier Jahren fehlte Afrika tatsächlich völlig im Programm der Münchner Sicherheitskonferenz. Heute ist der Kontinent immer noch keine Top-Priorität, aber ein wichtiger Bestandteil der Konferenz. Die Ebola-Krise hat gezeigt, das es globale Gesundheitskrisen gibt, die alle etwas angehen. Das ist mittlerweile auch im Bewusstsein von Militärplanern verankert. Bill Gates hat die globale Gesundheit als Thema im vergangenen Jahr auf die Sicherheitskonferenz gebracht und Angela Merkel hat es zu einem Schwerpunkt ihrer G-20-Präsidentschaft 2017 gemacht. Außerdem steigt die Angst vor Terrorismus und Instabilität und damit verbunden die Sorge vor Migrationsbewegungen. Man muss ja nur einmal auf die Bevölkerungsentwicklung schauen. Die afrikanische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppeln - und es ist die einzige Bevölkerungsgruppe in der Welt, die ärmer wird. Deshalb muss eine längerfristige, kontinuierliche Entwicklungspolitik Teil der globalen Sicherheitsstrategie sein.

Die europäischen Länder widmen dem Kontinent mehr Aufmerksamkeit, doch ihr Fokus liegt dabei zunehmend darauf, die Migrationsströme nach Europa zu begrenzen. Sehen Sie einen Paradigmenwechsel in der europäischen Entwicklungspolitik?

Die Gates-Stiftung ist vor 17 Jahren gegründet worden. In diesen 17 Jahren hat sich wahnsinnig viel getan. In keiner anderen Phase der Geschichte, der Phase der UN-Milleniumsziele, haben wir einen vergleichbaren Rückgang von Armut, Kindersterblichkeit, Erfolge im Kampf gegen HIV, Tuberkulose, Malaria gesehen. Es hat ohne Zweifel eine Verschiebung der politischen Aufmerksamkeit gegeben, aber wenn das Ergebnis ist, dass mehr in langfristige Entwicklungsziele investiert wird, fördert das die Entwicklung, die wir in den vergangenen 17 Jahren gesehen haben.

Aber wird denn in längerfristige Entwicklung investiert? Die Europäische Union investiert viel Geld in Libyen - in die Ausbildung von Grenzschützern. Im vergangenen Jahr gab es ein Gipfeltreffen Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Spaniens mit Niger und Tschad - die zugesagten Hilfen sollen in die Grenzsicherung fließen und in Rückführungsprogramme...

Es gibt natürlich ein Risiko: Sollte der neue Fokus auf Migration zu Lasten bestehender Programme wie zum Bespiel dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV, Tuberkulose und Malaria oder die Impfallianz gehen, wäre das zutiefst beunruhigend. Wir brauchen ein Sowohl als Auch. Aber dass die Sahel-Zone jetzt mehr Aufmerksamkeit bekommt, ist richtig. Es ist eine der ärmsten Regionen der Welt.

Wie können die entwickelten Länder die demographische Entwicklung in Afrika beeinflussen?

Reproduktionsgesundheit ist eng verknüpft mit anderen Gesundheitsthemen. Wir stellen fest: Wenn Eltern erwarten können, dass ihr Kind das Erwachsenenalter erreicht, bekommen sie weniger Kinder. Es lohnt sich also, hier zu investieren, auch aus einer sicherheits- und migrationspolitischen Perspektive.

Auch Bildung spielt eine Rolle, je besser Frauen gebildet sind, desto weniger Kinder bekommen sie.

Ja, es gibt einen starken Zusammenhang zwischen Bildung und Anzahl der Kinder, das ist der wichtigste Faktor. Und nicht nur das: Je besser gebildet die Mütter, desto gesünder im Allgemeinen die Kinder. Das Problem in der Bildungspolitik ist allerdings häufig, dass mehr darauf geachtet wird, dass alle Kinder zur Schule gehen, als darauf, dass sie dort wirklich etwas lernen. Viele Kinder sitzen jahrelang in der Schule, lernen aber nichts.

Die westlichen Länder scheinen das zu verstehen. Präsident Macron hat kürzlich ein Gipfeltreffen in Dakar geleitet, dabei wurden 2,3 Milliarden Dollar für eine großangelegte Bildungsoffensive zugesagt. Ist das genug?

Wir würden natürlich gern noch mehr sehen. Aber man muss auch sagen, und die UN unterstreichen das ebenfalls in ihren nachhaltigen Entwicklungszielen, die 2015 verabschiedet wurden: Die Hauptverantwortung liegt bei den Entwicklungsländern selbst. Sogar die ärmsten Länder haben mehr Finanzmittel zur Verfügung als sie jemals an Entwicklungshilfe erhalten werden. Erst an zweiter Stelle kommt Hilfe von außen. Wir begrüßen es aber übrigens sehr, dass die große Koalition in Deutschland einen prozentualen Anteil an Entwicklungshilfe von 0,7 Prozent in ihr Programm geschrieben hat und hoffen, dass andere europäische Länder nachziehen.

Wie bekommt man die afrikanischen Länder dazu, mehr zu investieren?

Das passiert ja. Die Leute sagen oft, wenn ich von den Erfolgen in Afrika spreche, dass sei ja, weil China sich dort engagiert. Aber das stimmt nicht. Es gibt tolle Erfolgsgeschichten. Nehmen wir Äthiopien, ein Land mit 100 Millionen Einwohnern. Äthiopien hat alle Millenium-Ziele der UN erfüllt: Sie haben zum Beispiel die Kindersterblichkeit um zwei Drittel reduziert, die Müttersterblichkeit um drei Viertel. Tansania, Ghana, Niger - in all diesen Ländern gibt es Fortschritte.

China und chinesische Unternehmen investieren in vielen afrikanischen Ländern in den Ausbau der Infrastruktur, in Unternehmen und Rohstoffe. Kritiker sprechen von einem neuen Kolonialismus und von "land grabbing". Wie sehen Sie das?

China ist ein großer Player in Afrika. Wir haben selbst eine ganze Reihe von Partnerschaften. Man muss unterscheiden zwischen dem, was chinesische Unternehmen in Afrika machen - Investitionen in Rohstoffe und Boden - und den Bereichen, in denen das chinesische Engagement für produktive und sinnvolle Ziele kanalisiert werden kann. Nehmen wir zum Beispiel die Landwirtschaft. China verbessert im eigenen Land sehr erfolgreich die Produktivität kleiner Landwirtschaftsbetriebe. In Afrika hat China in etwa 30 Ländern landwirtschaftliche "Vorzeigezentren" gegründet, die allerdings, vorsichtig ausgedrückt, der Bevölkerung nicht viel weiterhalfen. Jetzt hat Chinas das verstanden und ist auf uns zugekommen.

Mit der Frage: Wie bringen wir die Techniken wirklich zu den Bauern?

Ja, genau. Wir haben jetzt Pilotprojekte in Mosambik, Sambia und Äthiopien und einen gemeinsamen Fonds für Gesundheits- und Landwirtschaftsentwicklung. Wir sind vorsichtig optimistisch, dass diese Kooperationen dieses Jahr erste Erfolge zeigen.

Solange es funktioniert, arbeiten Sie mit China zusammen - unabhängig von geostrategischen Bedenken?

Wir als Stiftung orientieren uns an dem, was bewirkt werden kann. Natürlich gibt es darüber hinaus auch geopolitische Fragen.

Die Vereinigten Staaten ziehen sich immer stärker aus UN-Organisationen zurück, unter anderem werden die Finanzhilfen zum UN-Bevölkerungsprogramm zurückgehalten. Wie sehen Sie das?

Bill und Melinda Gates haben sich dazu gerade sehr offen in unserem Jahresbrief geäußert. Wir haben Kontakte zur Trump-Regierung und haben sehr gut mit den Regierungen Bush und Obama zusammengearbeitet. Wir sind politisch unabhängig - aber wir haben natürlich unsere Überzeugungen. Die sind: Staaten sollten sich an Entwicklungshilfe beteiligen und sollten sich in multilateralen Koalitionen einbringen. Die Trump-Regierung hat nun zwei Mal mit ihren Haushaltsentwürfen klar gemacht, dass sie diese Überzeugung nicht teilt. Wir glauben, dass das falsch ist. Das Gute ist, dass der Kongress, der den Haushalt verabschiedet, signalisiert hat, dass er die Entwicklungshilfeziele, die wir teilen, finanzieren will. Wir hoffen, dass wir im Verlauf der Zeit auch die Regierung Donald Trump von diesen Zielen überzeugen können. 

Mark Suzman ist Chefstratege und Präsident der Bill and Melinda Gates-Stiftung. Er ist Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz vom 16. bis 18. Februar. Die Gates-Stiftung ist eine der größten Stiftungen weltweit und setzt sich vor allem für Gesundheitsvorsorge in Entwicklungsländern ein.

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