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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gerät immer stärker unter Druck.

© Balazs Mohai, dpa

Affäre in Israel: Netanjahu in Bedrängnis

Dem israelischen Premier wird Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen. Ein früherer Vertrauter will gegen Netanjahu als Kronzeuge aussagen.

Premierminister Benjamin Netanjahu nutzte den Slogan, den er in der Vergangenheit schon oft wiederholte: „Es wird nichts geben, weil es nichts gegeben hat“, schrieb er am Donnerstagabend auf seiner Facebookseite. Soll heißen: Die Ermittlungen würden nichts ergeben, die Anschuldigungen gegen ihn seien unbegründet: „Eine Kampagne, die Regierung zu verändern, ist im Gange, aber sie ist dazu verdammt, zu scheitern“, heißt es in dem Post weiter.

Ermittlungen in zwei Fällen

Kämpferisch und siegessicher gibt sich Israels Premier, doch Netanjahu steht immer stärker unter Druck: Zum ersten Mal nennen ihn die Ermittler nun als offiziellen Verdächtigen. So berichteten es am Donnerstagabend israelische Medien, denen ein entsprechendes Dokument der Polizei vorliegt. Darin heißt es, Netanjahu werde des Betrugs, der Untreue und der Bestechlichkeit verdächtigt.

Schon seit Monaten wird gegen Netanjahu in zwei Fällen ermittelt und in beiden Fällen wurde der Premier auch schon befragt: In dem ersten Fall, dem sogenannten Fall 1000, geht es darum, dass Benjamin Netanjahu wie auch seine Ehefrau Sara teure Geschenke von reichen Gönnern angenommen haben sollen, darunter Zigarren und Champagner im Wert von mehreren hunderttausend Schekel von Hollywoodproduzent Arnon Milchan. Im zweiten Fall, Fall 2000, soll der Premier mit Arnon „Noni“ Mozes, dem Herausgeber der großen, Netanjahu-kritischen Tageszeitung Jediot Acharonot über einen Deal verhandelt haben: Wenn Jediot zukünftig positiver berichte, würde Netanjahu dafür sorgen, ihnen das kostenlose Konkurrenzblatt „Israel Hayom“ vom Leib zu halten.

Kronzeuge will aussagen

Die Untersuchungen im zweiten Fall begannen, nachdem die Polizei Aufzeichnungen der Gespräche der beiden Männer aus der Zeit zwischen Ende 2014 und Anfang 2015 auf dem Computer von Netanjahus ehemaligem Stabschef und engem Vertrauten Ari Harrow gefunden hatten. An dieser Stelle könnte es für Netanjahu bald schon besonders eng werden: Am Freitagmittag wurde bekannt, dass Ari Harrow in beiden Fällen als Kronzeuge aussagen wird. Harrow, gegen den seit Mitte 2015 wegen des Verdachts ermittelt wird, er habe seine Verbindung zu Netanjahu genutzt, um private Geschäfte voranzutreiben, hat einen entsprechenden Deal ausgehandelt: Wenn er aussagt, wird seine eigene Strafe gemildert.

Israelische Kommentatoren sehen darin eine Wende im Ermittlungsprozess. „Wir machen Fortschritte und arbeiten in dieser Angelegenheit mit der Polizei“, sagte auch der Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit am Donnerstag laut Medienberichten. „Wir machen unsere Jobs, geben Sie uns Zeit zu arbeiten, dann werden wir an die Wahrheit gelangen.“ Neue Erkenntnisse werden wohl erst mal auf sich warten lassen, denn die Polizei verhängte in beiden Fällen am Donnerstag erst einmal eine Nachrichtensperre.

Obendrein macht dem Premier ein dritter Fall zu schaffen. Bei einem geplanten Kauf von U-Booten der deutschen Firma Thyssen Krupp sollen Schmiergelder geflossen sein. In dem Fall wird allerdings nicht gegen Netanjahu direkt ermittelt.

Rücktritt nicht vorgesehen

Was bedeuten die Ermittlungen nun für Premierminister Netanjahu? „Das Gesetz verlangt nicht, dass der Premierminister zurücktreten muss, wenn er Verdächtiger einer Ermittlung wird“, erklärt Guy Lurie, Forscher im Programm „Verteidigung und demokratische Werte“ des Israelischen Demokratieinstituts IDI. Experte Lurie sieht darin ein Problem, „denn eine längere Ermittlung kann den Premier daran hindern, seine Aufgabe zu erfüllen.“

Freiwillig zurückzutreten sieht der siegessichere Netanjahu derzeit aber nicht vor: Selbst wenn er angeklagt werden sollte, würde der Premier nicht zurücktreten, sagte der Koalitionschef und Knessetabgeordnete des Likud, David Bitan. Im Falle einer Anklage sei die Lage uneindeutiger, so Lurie. Zwar schreibe das Gesetz hier ebenfalls nicht ganz klar vor, dass ein Premier zurücktreten muss. Doch in vorangegangenen Fällen entschied der Oberste Gerichtshof, dass zumindest Minister entlassen werden müssen, wenn sie angeklagt werden. Ob diese Entscheidung auch auf einen Premierminister zutrifft, sei jedoch nicht ganz klar.

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