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Absage an Fracking: Umweltbundesamt will unüberwindbare Hürden aufstellen

Die Abhängigkeit von russischem Erdgas bringt Fracking auch in Deutschland wieder stärker ins Gespräch. Hat die Technologie noch eine Chance?

Mitten in der Debatte über die Ukraine-Krise und die deutsche Importabhängigkeit von russischem Erdgas hat das Umweltbundesamt (UBA) am Mittwoch den zweiten Teil einer umfassenden Studie zu den Umweltauswirkungen der unkonventionellen Erdgasförderung vorgelegt. Beim sogenannten Fracking werden in festem Gestein eingeschlossene Erdgasbläschen gefördert. Dazu wird unter hohem Druck ein Sand-Wasser-Gemisch, dem zudem teils wassergefährdende Chemikalien beigemischt werden, in den Untergrund gedrückt. Die so ausgelösten Mini-Erdbeben setzen das Gas frei. Das UBA hat nun ein paar Wochen nach dem gemeinsamen Eckpunktepapier zum Fracking von Energieminister Sigmar Gabriel und Umweltministerin Barbara Hendricks (beide SPD) die wissenschaftliche Begründung für deren restriktive Linie vorgelegt.

Was rät das Umweltbundesamt der Bundesregierung?

Schon vor zwei Jahren hat das UBA den ersten Teil der Frackingstudie vorgelegt. Damals forderte die Behörde, Fracking in Wasserschutzgebieten zu verbieten und für Forschungsbohrungen oder gar kommerzielle Testbohrungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben. Diesen Vorschlägen sind Gabriel und Hendricks mit ihrem Eckpunktepapier auch gefolgt. Im zweiten Teil der Studie geht es um den Schutz des Grundwassers, um den Umgang mit dem sogenannten Flow-Back, also dem zum Fracken eingesetzten Wasser, das im Untergrund zudem weitere giftige Stoffe aufgenommen haben kann, und um die Klimaverträglichkeit der in den USA im großen Stil bereits eingesetzten Gasfördermethode.

Bei der Vorstellung der Studie sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger: „Fracking ist eine Risikotechnologie.“ Der Einsatz der Technik solle in Wasserschutz- und in Naturschutzgebieten generell nicht zugelassen werden. Darüber hinaus schlägt das UBA vor, die Umweltauflagen für den Einsatz der Technologie so hoch zu legen, dass „ein wirtschaftlicher Einsatz“ kaum noch möglich sei und so ein „verbotsähnlicher Zustand“ erreicht werde, sagte Krautzberger.

Interessierte Firmen sollten ein umfassendes Überwachungsprogramm für die Güte des Grundwassers bezahlen müssen. Zudem müssten sie ein Messprogramm finanzieren, mit dem der Gasaustritt in die Atmosphäre unter Kontrolle gehalten werden könnte. Methan hat eine 25-mal höhere Treibhauswirkung als Kohlendioxid (CO2). Allerdings bleibt Methan nicht so lange in der Atmosphäre wirksam wie CO2. Für den Umgang mit den Abwässern „hat noch kein Unternehmen ein überzeugendes Konzept vorgelegt“, sagte Krautzberger. Auch in den USA habe das gefrackte Gas lediglich die amerikanische Klimabilanz geschönt. Die dort nicht mehr für die Stromproduktion verbrannte Kohle habe die Preise auf dem Weltmarkt gedrückt und die Klimabilanz global nicht verbessert. Allerdings gilt dieses Argument im Prinzip auch für erneuerbare Energien, die Kohle bei der Stromerzeugung in Deutschland ersetzen und so den Kohlepreis auf dem Weltmarkt ebenfalls unter Druck setzen.

Wie ist der aktuelle Diskussionsstand in Deutschland?

Sigmar Gabriel und Barbara Hendricks haben kurz vor der Sommerpause ein gemeinsames Eckpunktepapier zum Fracking vorgelegt. Darin wird der Einsatz der Technologie an hohe Umweltauflagen geknüpft, auch wenn es um Forschungsbohrungen geht. Die in Deutschland vorhandenen Schiefergaslagerstätten könnten den deutschen Bedarf nach Einschätzung der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) rund 13 Jahre lang vollständig decken. Bis zu einer Tiefe von 3000 Metern soll nach dem Willen von Gabriel und Hendricks gar nicht gefrackt werden dürfen. Darunter halten Gabriel und Hendricks die Technik aber für einsetzbar. Der Grund dafür ist die seit drei Jahrzehnten in Niedersachsen betriebene Förderung von sogenanntem Tight Gas, also Gas, das in undurchlässigen Gesteinsschichten eingeschlossen ist, und wie bei der Förderung von Schiefergas oder Kohleflözgas mittels Fracking zum Fließen gebracht werden muss, um es fördern zu können. Gabriel und dem Land Niedersachsen liegt viel daran, diese Gasförderung weiter möglich zu machen.

Ulrich Irmer, Abteilungsleiter Wasser und Boden im UBA, weist darauf hin, dass die „wasserführenden Schichten“, die für die Trinkwasserversorgung relevant seien, „alle über 3000 Meter Tiefe liegen“. Je tiefer die Schicht, desto geringer werde das Risiko für das Wasser. Maria Krautzberger forderte allerdings, auch die Tight-Gas-Förderung den hohen Umweltanforderungen zu unterwerfen, die „für jede Art von Fracking“ gelten sollten – „auch für die tiefe Geothermie“, also die Stromerzeugung mit Erdwärme.

Wie verbreitet ist Fracking in Europa?

In dieser Woche hat die konservativ geführte Regierung in London Fracking „in Ausnahmefällen“ sogar in Nationalparks in Großbritannien erlaubt. Mitten in der Sommerpause hat die britische Regierung ihre Richtlinien für Fracking veröffentlicht – und sie sind nicht besonders restriktiv ausgefallen. Dabei wird die Debatte auf der anderen Seite des Ärmelkanals nicht weniger leidenschaftlich geführt als in Deutschland. Umweltschützer laufen seit Monaten Sturm gegen die frackingfreundliche Regierungspolitik. Energieminister Matthew Hancock sieht große wirtschaftliche Potenziale für die Schiefergasförderung in Großbritannien und ist sich damit ausnahmsweise mit der oppositionellen Labour Party einig. Das mag damit zusammenhängen, dass die britische Gasförderung in der Nordsee zur Neige geht. Frankreich hat sich für ein komplettes Frackingverbot entschieden. Dagegen sieht auch Polen in der Technologie großes Potenzial, findet allerdings keine Investoren, die das sehr tief liegende polnische Schiefergas auch fördern wollen.

Warum wird in den USA gefrackt?

Der Aufstieg der Frackingtechnologie in den USA fällt mit der Wirtschaftskrise nach der Finanzkrise 2008/09 zusammen. Damals hat die Regierung der Industrie die Tore weit geöffnet und sogar auf die Anwendung existierender Umweltgesetze verzichtet, um die Gasförderung in Gang zu bringen. Das Ergebnis waren große Investitionen in die heimische unkonventionelle Öl- und Gasförderung. Der Gaspreis ist dadurch so weit gesunken, dass sich das Fracken derzeit kaum noch lohnt. Deshalb wird in den USA intensiv über den Export von Frackinggas diskutiert, auch wenn der frühestens 2016 möglich wird, wenn es entsprechende Aufbereitungsanlagen für Flüssiggas gibt. Bisher ist der Gasexport aus den USA noch verboten. Allerdings hat die Regierung bereits einige wenige Einzelanträge für Exporte genehmigt. Denn wenn der Gaspreis nicht steigt, wird der Boom sich nicht fortsetzen.

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