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Aus dem gelben Sack wird keine Wertstofftonne. Ministerin Hendricks will das Recht reformieren.

© Patrick Pleul/picture alliance / dpa

Abfallpolitik: Wir sind Müll-Weltmeister

Im Dezember soll das Verpackungsgesetz ins Kabinett – aber noch streiten die Minister über Recyclingquoten. Den Plan, aus der gelben eine Wertstofftonne zu machen, musste die Umweltministerin aufgeben.

Barbara Hendricks guckt missmutig auf einen wiederverwendbaren Coffee-to-Go-Becher, der vor ihr steht. Die Umweltministerin sagt vor ihrer Pressekonferenz zur europäischen Woche der Abfallvermeidung am Dienstag: „Ich trinke doch nicht auf der Straße Kaffee.“ Sie nicht, aber Millionen Deutscher tun das schon. Im Jahr kommen so rund 2,8 Milliarden Pappbecher zum Mitnehmen zusammen. Deshalb lobte die SPD-Politikerin auch Initiativen in Berlin, Freiburg, Hamburg und anderen Städten, die entweder Pfandsysteme für Kaffeebecher einführen, oder die Nutzung selbst mitgebrachter Becher fördern.

Seit dem Sommer testet das Café Boodha in Neukölln das von ihm selbst entwickelte Pfandsystem „Just swap it“. Die Berliner S-Bahn vertreibt gemeinsam mit zwei Bio-Supermarktketten einen wiederverwendbaren Becher. Die Deutsche Umwelthilfe hat mit ihrer mehrjährigen Becherheld-Kampagne offenbar die Fantasie angeregt. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken kommt der Kaffeebecher zwar trotz seiner beeindruckenden 177 Seiten nicht vor. Aber in der Vision „Zero Waste“, also abfallfrei, dürfte er wohl gedanklich enthalten sein.

Die Deutschen produzieren immer mehr Müll

Die Pro-Kopf-Menge des Verpackungsmülls steigt stetig. Das Umweltbundesamt (UBA) weist für 2009 eine Menge von 192,3 Kilogramm aus, 2014 waren es 219,5 Kilogramm. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich an der Spitze, hat die Europäische Umweltagentur (EEA) ermittelt. Dafür ist Deutschland bei den Recyclingquoten spitze, die EEA weist für 2014 einen Wert von 64 Prozent aus. Schlusslicht ist Malta mit lediglich elf Prozent.

Hendricks jedenfalls kündigte für den Dezember noch die Verabschiedung des Verpackungsgesetzes im Kabinett an. Die jüngste Fassung des Gesetzentwurfs ist in der Ressortabstimmung. Offenbar gibt es zwischen dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium noch einige offene Punkte. Die umstrittenste Frage aber, an der auch Hendricks’ Versuch eines Wertstoffgesetzes gescheitert war, bleibt in diesem Gesetz ungelöst: Seit Jahren streiten sich kommunale Unternehmen und private Entsorgungswirtschaft mit jeweils starker ideologischer Unterstützung der politischen Lager darum, wem der Müll gehört. Weil das nicht zu klären war, hat Hendricks sich von der eigentlich geplanten Wertstofftonne, die es in Berlin bereits gibt, verabschiedet.

Die Wertstofftonne kommt nicht

Es bleibt also dabei, in die gelbe Tonne sollten eigentlich nur Verpackungsabfälle wandern. Anderer Plastikmüll aber nicht. Das versteht kein Verbraucher, entsprechend werfen sie das Material trotzdem in die Tonne. Nur bezahlt wird der Recyclingaufwand über die Lizenzabgaben des Handels nicht. Darüber ärgern sich dann die Dualen Systeme wie der größte ehemalige Monopolist „Der Grüne Punkt“. Hendricks sagte am Dienstag, dass sie mit dem Verpackungsgesetz zumindest einmal die Verwertungsquoten anheben will. Derzeit müssen die Dualen Systeme lediglich gut 36 Prozent der eingesammelten Kunststoffabfälle auch recyceln.

Sowohl Politik als auch Industrie, wobei die Industrie kein Interesse dran hat, sollte umdenken. Müll vermeiden, Energie sparen sollten die Devisen der Zukunft sein. Aber das klingt auch für die Verbraucher nach Verzicht, da will ja keiner.

schreibt NutzerIn Popli

Die Umweltausschussvorsitzende Bärbel Höhn (Grüne) hat vor Kurzem durch eine Anfrage erfahren, dass von den eingesammelten Plastikabfällen am Ende 44,1 Prozent in der Müllverbrennung landen. Die Zahl stammt aus dem Jahr 2014.

Ihr Fraktionskollege Peter Meiwald ist nicht zufrieden mit dem Entwurf. Denn er enthalte „keine Anreize zur Abfallvermeidung, obwohl dies die oberste Priorität des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist“, sagte er dem Tagesspiegel. Irritierend sei zudem, wenn Hendricks zwar ein Mehrwegsystem für Kaffeebecher lobe, „aber die Mehrwegquote für Getränkeflaschen streicht“, sagte er weiter. Die Mehrwegquote ist nach Angaben des UBA 2014 auf 45,1 Prozent gesunken, 53,9 Prozent der Getränke wurden in umweltschädlichen Einwegverpackungen verkauft. Dabei machte UBA-Chefin Maria Krautzberger noch einmal ganz klar, dass Mehrweg die umweltfreundlichste Variante ist.

Tatsächlich sollen die Verwertungsquoten für Verpackungsabfälle steigen. Das Umweltministerium hätte gerne für alle Müllfraktionen 90 Prozent als Zielmarke vorgeschrieben. Das Wirtschaftsministerium beharrt aber darauf, die Quoten bei Glas, Eisen und Aluminium auf 80 Prozent und erst 2021 auf 90 Prozent zu erhöhen. Bei Kunststoffen soll die 90-Prozentmarke über den Zwischenschritt 65 Prozent werkstofflicher Verwertung erreicht werden. Erst 2021 müssen es dann 70 Prozent sein. Der Rest könnte weiter verbrannt werden. Über diese Zahlen streitet die Regierung aber noch.

Der Grüne Punkt forscht an marktfähigen Produkten

Im Forschungslabor des Grünen Punkts in Köln arbeiten sie derweil daran, die Qualität des recycelten Plastikabfalls zu erhöhen, um mehr hochwertige Produkte auf den Markt zu bringen. Nur für 20 Prozent der eingesammelten Abfälle gelingt das bisher. In Köln haben sie es aber zumindest einmal geschafft, dem Recyklat seinen strengen Geruch auszutreiben, aus dem Material können auch wieder Folien werden. Inzwischen können sie auch mehr Farben als nur braun und grau.

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