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Beate Zschäpe hat offenbar verhindert, dass der NSU vorzeitig aufgedeckt wurde.

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Update

16. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Zschäpe verhinderte Auffliegen in letzter Sekunde

Der NSU ist offenbar im Spätsommer 2011 nur knapp einem vorzeitigen Auffliegen entgangen: Beate Zschäpe verhinderte, dass ein Handwerker eine Tür öffnete, hinter der möglicherweise Waffen lagerten. Zwar bestätigte der Handwerker die Geschichte nicht. Möglicherweise hat ihn jedoch seine Erinnerung verlassen.

Von Frank Jansen

Die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ wäre offenbar beinahe schon im Spätsommer 2011 aufgeflogen. Mutmaßlich Beate Zschäpe soll es gerade noch verhindert haben, dass ein Handwerker begann, die Tür zum Keller des Trios in der Zwickauer Frühlingsstraße aufzubrechen. Der Handwerker habe erzählt, die Frau habe „ein Heidentheater gemacht“, sagte am Mittwoch der ehemalige Hausverwalter als Zeuge im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München. Der Handwerker habe dann darauf verzichtet, die Tür aufzubohren und sei „abgetreten“. In dem Keller waren möglicherweise Waffen und Munition gelagert.

Am Dienstag hatte ein Polizeibeamter berichtet, die zwei Türen zum Keller  seien mit je einem Funkkontaktmelder gesichert gewesen. Der Kriminalhauptmeister hatte das Gebäude untersucht, nachdem Zschäpe die mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genutzte Wohnung am 4. November 2011 in Brand gesetzt hatte. Kurz zuvor hatten sich Mundlos und Böhnhardt in Eisenach nach dem Überfall auf eine Filiale der Sparkasse erschossen. Zschäpe stellte sich am 8. November in Jena der Polizei. Das Haus in der Frühlingsstraße wurde nach dem verheerenden Feuer abgerissen.

Empfangsgeräte zu den Funkkontaktmeldern standen in der Wohnung. Nach der Aussage des früheren Hausverwalters ist zu vermuten, dass Zschäpe über ein Empfangsgerät mitbekam, dass eine Person an einer Tür zum Keller des Trios stand. Der Keller sollte geöffnet werden, da der Hausverwalter des neuen Eigentümers das Gebäude inspizieren ließ. Die mit einer Metallplatte verstärkte Kellertür konnte der Handwerker keinem Mieter zuordnen, deshalb wollte er sie gewaltsam öffnen und in die Räume schauen. Das hat mutmaßlich Zschäpe knapp vereitelt. Die Angeklagte selbst äußerte sich auch am Mittwoch nicht.

Der Handwerker, ein selbstständiger Maurer, trat am Mittwoch auch als Zeuge auf, bestätigte allerdings die Geschichte nicht. Möglicherweise hat ihn seine Erinnerung verlassen. Zögernd berichtete der Mann, dass er nach der Explosion einen „Black out“ hatte und zusammenbrach, da er durch den Verlust von Werkzeugen und Material in dem Haus etwa 4000 Euro einbüßte – ohne versichert zu sein. Der Maurer hatte im Dachgeschoss eine Wohnung ausgebaut. Er sei als alkoholkranker Mensch bis zu dem Vorfall „trocken“ gewesen, sagte der Zeuge, dann habe er wieder angefangen zu trinken. Nur mit Mühe und erst nach einer psychiatrischen Behandlung kam er wieder auf die Beine. Drei Monate war er nicht arbeitsfähig. Der Maurer wirkte selbst  jetzt noch angeschlagen.

Der Hausverwalter hatte zuvor auch dem Strafsenat geschildert, dass die Miete für die Wohnung des Trios etwas seltsam gezahlt wurde. Einmal habe eine „Lisa Dienelt“ für „Matthias Dienelt“ das Geld überwiesen, dann eine „Lisa Pohl“. Die  Miete für die große Vierzimmerwohnung betrug zuletzt 740 Euro, mit Betriebskosten. Als Mieter trat gegenüber dem Eigentümer der aus Sachsen stammende Matthias D. auf. Die Bundesanwaltschaft führt ihn im NSU-Komplex als Beschuldigten, er sitzt aber nicht auf der Anklagebank. Matthias D. soll dem Trio nicht nur die Wohnung in der Frühlingsstraße überlassen haben, sondern auch die erste Unterkunft in Zwickau. Die Polizei nahm Matthias D. im Dezember 2011 fest, im Mai 2012 kam er aus der Untersuchungshaft frei. Die Bundesanwaltschaft ermittelt jedoch weiter gegen Matthias D.

Die Hauptverhandlung endete dann am Mittwoch leicht dramatisch. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl brach am Abend den Prozesstag ab, obwohl er noch einen Zeugen zuende hören und die Befragung eines weiteren beginnen wollte. Zschäpes Konzentrationsfähigkeit sei aber angesichts der schon mehrere Stunden dauernden Verhandlung überschritten, sagte Verteidiger Wolfgang Heer. Es kam zum Wortgefecht mit Götzl, der schließlich eine medizinische Untersuchung Zschäpes anordnete. Nach einer knapp 40-minütigen Unterbrechung verkündete der Richter, ein Chirurg habe bei Zschäpe „keine auffälligen Befunde festgestellt“. Der genervte Götzl beendete dennoch gegen 18 Uhr 30 die Verhandlung, da Konzentrationsschwächen nur ein Facharzt erkennen könne und am Abend keiner mehr beizuziehen sei. Aber er werde „in Zukunft dafür sorgen“, sagte Götzl, dass ein Facharzt anwesend sei, um notfalls Zschäpes Zustand prüfen zu können.

Zschäpe blieb auch bei Götzls Fragen zu ihrer Konzentration stumm, wirkte aber noch bleicher als sonst. Ihre Verteidiger wie auch die Anwälte des ebenfalls inhaftierten Angeklagten Ralf Wohlleben monierten, die Mandanten sähen an den wöchentlich drei Verhandlungstagen kein Tageslicht und kämen nicht an die frische Luft. Die Anwälte regten bei Götzl an, über einen Freigang in der Mittagspause nachzudenken. Zschäpe und Wohlleben verbringen die Pausen in gesicherten Räumen im Keller des Gerichtsgebäudes. Der Verhandlungssaal wird zudem künstlich belüftet und beleuchtet. Die wenigen, stets verschlossenen Fenster sind kaum mehr als  Schießscharten und von den Tischen der Angeklagten aus nicht zu sehen.

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