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Platz für Gedanken

© dpa

Von Bundesliga bis Kinderpornografie: Vier Revolutionen, jetzt!

Frei nach Wolfgang Neuss, meint Malte Lehming: Heut’ mach ich mir kein Mittag, heut’ mach ich mir Gedanken: Über die Bundesliga, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, digitale Nacktbilder und abgehörte Telefonate.

Eine der großartigsten Passagen der Weltliteratur findet sich bei Georg Büchner in „Dantons Tod“. Da heißt es: „Aber die Zeit verliert uns. Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen und des Abends ins Bett und morgens wieder herauszukriechen und einen Fuß immer so vor den andern zu setzen; da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und dass Millionen es schon so gemacht haben, und dass Millionen es wieder so machen werden, und dass wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das nämliche tun, so dass alles doppelt geschieht - das ist sehr traurig.”

Also frisch ans Werk – und gegen die aufkommende Langeweile die etwas versponnene Kurzweil setzen. Vier akute Anlässe gibt es:

Erstens die Fußballbundesliga:

Der FC Bayern ist jetzt Meister. Die Restspannung konzentriert sich auf die Absteiger und ein paar Uefa-Cup-Plätze. Gähnemann und Söhne. Und so wird es bleiben für ganz, ganz lange. Bayern spielt in der Liga in einer anderen Liga. Darum muss endlich die Revolution ausgerufen und in der Bundesliga das Playoff-System eingeführt werden. Dann ist der erste noch längst nicht der erste, sondern muss sich erneut bewähren. Dann wird’s am Ende wieder spannend. Dann ziehen wieder Drama, Überraschung und Nervenkitzel in das Profigekicke ein. Playoffs jetzt!

Zweitens der öffentlich-rechtliche Rundfunk:

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einfluss der Politik darauf begrenzt. Doch der Beitragszahler muss weiterhin die Mediensteuer berappen. Ob er will oder nicht, Musikantenstadl sieht oder nicht. Doch wenn wir uns schon einen mit Bürgergeldern zwangsfinanzierten staatsfernen Staatsrundfunk leisten, sollten wir auch mehr Mitsprache beim Personal und Programm haben. Das heißt, die Intendanten und Programmverantwortlichen sollten gewählt werden können. Person x setzt auf deutsche Musik, Person y auf mehr Nachrichten und Hintergründe, Person z auf Sport. Wer und was sich davon durchsetzt, sollte der Zuschauer entscheiden. Politiker müssen sich gegenüber dem Steuerzahler verantworten, die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber nicht. Das ist ein Skandal, der abgeschafft gehört. Mehr Demokratie wagen!

Drittens der Handel mit kinderpornografischen Bildern:

Das ist ein ernstes Thema. Die Bundesregierung will sogenannte Posing-Fotos von nackten Kindern international verbieten. Der grenzüberschreitende Handel damit soll eingedämmt werden. Die Begründung dafür ist so richtig wie einleuchtend: Der Handel mit solchen Bildern verletzt das Persönlichkeitsrecht der Kinder. Doch es gibt nun einmal pädophil Veranlagte, die ihren Trieb zum Glück nicht ausleben, aber stimuliert werden wollen. Warum also wird nicht ein Computerprogramm entwickelt, das Bilder von nackten Kindern zeichnet? Das kann naturgetreu sein oder verfälscht, als Comic oder realistisch. Hauptsache, es sind anonyme, nicht existierende Wesen, die folglich keine Persönlichkeitsrechte haben. Und jedem wäre gedient, zunächst den Kindern, aber eben auch den Pädophilen. Für ein Recht auf digitale Nacktheit!

Viertens Julia Timoschenko:

Die Russen haben ein Telefonat der ehemaligen ukrainischen Regierungschefin abgehört, in dem sie Todesdrohungen gegen Wladimir Putin ausstößt, ohne diesen beim Namen zu nennen. „Ich bin selbst bereit, eine Kalaschnikow in die Hand zu nehmen und dem Dreckskerl in den Kopf zu schießen.“ Verständlich die Empörung. Allerdings war es nicht das erste Mal, dass die Russen ein abgehörtes Telefonat veröffentlichten. Die Europa-Beauftragte von US-Außenminister John Kerry wurde mit „Fuck the EU“ zitiert, ein Mitschnitt des Gesprächs zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und Estlands Außenminister Urmas Paet  soll Zweifel streuen über die Auftraggeber der Scharfschützen auf den Dächern um den Maidan in Kiew.

Doch je lauter der Groll über den Inhalt abgehörter Telefonate, desto mehr fühlen sich die Abhörer mit ihrer Strategie der Veröffentlichung bestätigt. Der Chor der Wütenden verursacht beim KGB klammheimliche Freude. Die Empörten betreiben das Geschäft der Schnüffler. Schluss damit!

Und nun ziehen wir wieder das Hemd zuerst an und dann die Hosen drüber und kriechen des Abends ins Bett und morgens wieder heraus.

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