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Kameras hängen vor einer Fassade der künftigen Zentrale des BND in Berlin.

© dpa

US-Spionage in Deutschland: Aussitzen ist keine Option

Nicht nur den BND, sondern auch das Verteidigungsministerium in Berlin haben US-Geheimdienste offenbar ins Visier genommen. Die Übergriffe waren gewollt und systematisch. Nun kann Amerika nicht zur Tagesordnung übergehen.

Von Hans Monath

Es ist ein böser Verdacht, der sich seit Mittwoch in der Hauptstadt ausbreitet: Wenn US-Geheimdienste trotz langer Debatte um NSA-Spähaktionen nicht nur einen BND-Mitarbeiter, sondern auch einen Fachmann des Verteidigungsministeriums geführt haben, lässt sich die Spionage des großen Partners gegen den kleineren nicht mehr als Versehen oder als bedauerlicher Exzess Einzelner kleinreden. Dann waren die Übergriffe gewollt und systematisch.

Das politische Berlin, das sich mit Ausnahme der Linkspartei zur Freundschaft mit Amerika bekennt, ist äußerst verärgert über die Misstrauenserklärung, die mit dem Spionageauftrag verbunden ist. Das will man der US-Seite nun deutlich signalisieren. Sollte sich der Verdacht gegen in Berlin akkreditierte US-Diplomaten erhärten, wird es Ausweisungen geben.

Am verblüfftesten aber scheint die Bundesregierung darüber zu sein, dass kleine Fische im deutschen Becken als Quellen geführt wurden. Warum interessiert sich ein US-Geheimdienst für das Material eines Mitarbeiters des Verteidigungsministeriums über Russland, obwohl es, in der Ukraine-Krise etwa, einen engen deutsch-amerikanischen Austausch dazu gibt? Wahrscheinlich jedes Papier und jede Information, die im Geheimen überreicht wurden, hätten die Mitarbeiter von CIA, NSA und Weißem Haus auch auf offiziellem Weg aus Berlin erhalten können.

Doch wie belastbar sind die Versprechen aus Washington?

Zwar scheinen nicht nur die amerikanische Botschaft in Berlin, sondern auch Teile der amerikanischen Regierung nun verstanden zu haben, dass angesichts der Empörung in Deutschland einfaches Aussitzen diesmal keine Option darstellt, wenn das Verhältnis zum kleinen Verbündeten nicht dauerhaft Schaden nehmen soll. Entsprechende „Good will“-Signale sind in Berlin zumindest angekommen.

Doch wie belastbar sind die Versprechen aus Washington? Schließlich gehen die Sicherheitsmanie und der Kontrollwahn zurück auf die Verunsicherung einer ganzen Nation nach „nine eleven“, in deren Folge die konkurrierenden 16 US-Geheimdienste massiv ausgebaut wurden und sich teilweise verselbstständigten. Leider spricht viel für den Realismus des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, der wenig Hoffnung hegt, dass die USA ihre Ausspähpraxis ändern werden.

Beschränkung der US-Geheimdienstaktivitäten kann nur inneramerikanische Debatte gewährleisten

Das Problem liegt nicht darin, dass die US-Regierung nicht zu einem „No spy“-Abkommen bereit ist, wie das Hillary Clinton bei ihrem Besuch in Berlin gerade bekräftigt hat. Ein solches Abkommen hätte gar keinen Wert, weil es sich von außen nicht überprüfen ließe. Eine wirksame Kontrolle und Beschränkung der US-Geheimdienstaktivitäten kann nur eine inneramerikanische Debatte gewährleisten.

Ansätze für eine solche Debatte gibt es, schließlich sind Amerikaner weit staatskritischer als die meisten Deutschen – gerade gegenüber Washington. Die Fähigkeit zur Selbstkorrektur gehört zu den faszinierenden Seiten der amerikanischen Gesellschaft, sie ist eine Konstante ihrer demokratischen Ordnung. Doch womöglich müssen sich die Deutschen in der Späh- und Agentenaffäre noch etwas gedulden, bis die Amerikaner aufwachen. Und das Pochen auf ein Ende der Übergriffe gebietet alleine schon die Selbstachtung.

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