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Ukrainische Polizeieinheiten stehen vor einem Verwaltungsgebäude

© dpa

Putin und Europa: Was nach der Krim droht

Kennt Putin ein Halten beim Anschluss verlorener Sowjetgebiete an sein Großrussland? Leider ist zu befürchten, dass die Krim nur der Anfang ist. Nun droht Putin, in Donezk, dem Herz des ukrainischen Kohlereviers, militärisch einzugreifen – mit der erstaunlichen Begründung.

Es wird kalt in Europa. Wladimir Putin greift nach der Ukraine. Er bricht das Grundgesetz des Zusammenlebens in Europa: die Unverletzlichkeit bestehender Grenzen. Er bricht die russische Verfassung, die es verbietet, Gebiete aufzunehmen, die Teil eines anderen Staates sind. Muss er eine Anklage fürchten, wie das in jedem Rechtsstaat üblich ist, wenn das Staatsoberhaupt gegen die Verfassung verstößt? Wohl kaum. Und was ist das für ein armseliges „Referendum“, wenn das angeblich russlandfreundliche Volk unter den Gewehren russischer Soldaten abstimmen muss, die Gegenseite ihre Argumente nicht vorbringen darf und internationale Beobachter ausgesperrt werden?

Leider ist zu befürchten, dass die Krim nur der Anfang ist. Nun droht Putin, in Donezk, dem Herz des ukrainischen Kohlereviers, militärisch einzugreifen – mit der erstaunlichen Begründung, die Ermordung eines pro-europäischen Demonstranten zeige, dass die Ukraine die Lage nicht unter Kontrolle habe und Moskau die russischstämmigen Bürger schützen müsse. Wieder ein Vorwand, der die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Die Ostukraine hatte wie die Krim beim Unabhängigkeitsreferendum mit klarer Mehrheit für die Ukraine votiert. Doch Putin hat bereits zehntausende Soldaten zum Manöver an die Grenze beordert. Das ist brandgefährlich. Kennt er ein Halten beim Anschluss verlorener Sowjetgebiete an sein Großrussland? Wenn Transnistrien, Moldawien, Weißrussland folgen, würde die russische Armee Nato-Soldaten in Rumänien und den baltischen Staaten gegenüberstehen – eine Zuspitzung, wie am Berliner Checkpoint Charlie 1961 und bei der Kubakrise 1963.

Putin kann das Unrecht des Stärkeren durchsetzen

Die Eskalation muss gestoppt werden. Nur wie? Im Westen drängt niemand darauf, Russland auf der Krim oder in Donezk militärisch entgegenzutreten. Es schlägt auch niemand vor, die Kontakte zu Moskau abzubrechen. Zur dominierenden Figur in diesem Kräftemessen ist die Kanzlerin geworden – gemeinsam mit ihrem Außenminister. Angela Merkel telefoniert mit Amerika, mit halb Europa, mit den Chinesen, um sie für eine gemeinsame Haltung zu gewinnen – und regelmäßig mit Putin, um ihm zu zeigen, wie allein er mit seinen Argumenten steht.

Die Balten, Polen, Ungarn, die seit zehn Jahren EU- und teils noch länger Nato-Partner sind, rechnen es Frank-Walter Steinmeier hoch an, dass er persönlich kommt, um die Bündnisgarantie für den Fall des Falles zu bekräftigen. Europa baut mit einem abgestuften Sanktionsplan Druck auf, um Russland zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. Das wird die Absage der deutsch-russischen Regierungskonsultationen und des G-8- Gipfels in Sotschi einschließen, sofern Putin nicht zur Diplomatie zurückkehrt.

Fürs Erste kann Putin das Unrecht des Stärkeren durchsetzen

Europa muss sich auf eine lange Eiszeit einstellen. Fürs Erste kann Putin das Unrecht des Stärkeren durchsetzen. Auf lange Sicht wird er dieses Kräftemessen verlieren, weil sein Gesellschaftsmodell nicht attraktiv ist – und weil Russland stärker vom Westen abhängt als umgekehrt. Die Geschichte gibt viele Beispiele, dass am Ende die Stärke des Rechts und die Freiheit siegen. Die deutsche Frage blieb offen, solange das Brandenburger Tor zu war. Die Annexion der baltischen Staaten wurde nach viereinhalb Jahrzehnten korrigiert. Das Apartheidsregime in Südafrika fiel durch geduldige Sanktionspolitik. Eine unmissverständliche und einige Haltung gegen Putins Expansionskurs ist die beste Hoffnung, dass die Diplomatie und der Frieden nach Europa zurückkehren.

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