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Obamas Transatlantisches Freihandelsabkommen: Er kommt mit einem guten Angebot

Obama pflegt die transatlantische Beziehung weniger eurozentrisch, als viele Europäer sich erhofft hatten. Deren Datenschutz-Interesse lässt er aber dennoch umsetzen.

Die Enthüllungen über geheime US-Überwachungsprogramme drohen den Besuch von Präsident Obama in Berlin und den Beginn der Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zu überschatten. Einige in Europa fragen sogar, ob die EU überhaupt mit den Verhandlungen beginnen sollte, solange die Befürchtung im Raum steht, dass US-Nachrichtendienste Daten europäischer Bürger gesammelt haben. Die Skeptiker sollten allerdings bedenken, dass das TTIP genau die Mechanismen bietet, die sie sich eigentlich wünschen – nämlich Übereinkünfte, die definieren können, wie demokratische Gesellschaften und Marktwirtschaften in Amerika und Europa ihren Werten treu bleiben und gleichzeitig in einer Welt aufstrebender Mächte und diffuser Herausforderungen Erfolg haben können.

Um den Europäern genau das anzubieten, kommt Präsident Obama nach Berlin. Mehr noch, es ist ein Angebot ohne Vorbedingungen. Obama verfährt damit anders als jene europäischen Staaten, die bestimmte Themen von vornherein von den Verhandlungen ausschließen wollen. Da aber die amerikanische und die europäischen Volkswirtschaften eng verflochten sind, wird man widersprüchliche Gesetze und Regulierungen ansprechen müssen. Die Anpassung von Standards wird Kernpunkt der Verhandlungen sein.

Im Rahmen solcher Verhandlungen müssen sich die USA und die EU auch über ihre Vorstellungen vom Schutz der Privatsphäre einigen. Gleichzeitig müsste ein gemeinsames Verfahren entwickelt werden, mit dem der Zugang zu Informationen gesichert bleibt, die im Kampf gegen den Terror gebraucht werden. In den USA ist in solchen Fällen ein Gerichtsbeschluss notwendig. Auch der Zugang von US-Behörden zu Daten aus der EU könnte von der Genehmigung durch eine EU-Behörde abhängig gemacht werden. Europa könnte die Gespräche über das Freihandelsabkommen in dieser Hinsicht nutzen.

Die aktuelle Debatte zeigt, wie sehr die USA noch immer um die richtige Balance zwischen Privatheit und Sicherheit streiten. Ich frage mich, wie viele Europäer tatsächlich der Meinung sind, dass hier in Europa schon die richtige Balance gefunden wurde. Trotz ursprünglich unterschiedlicher Haltungen haben sich die USA und Europa in der Vergangenheit bei vergleichbaren Fällen einigen können. Dieser neue Verhandlungsrahmen dürfte Anstoß für weitere Anstrengungen sein.

Europäer und Amerikaner haben große Erwartungen an den jeweils anderen – weil wir, als demokratische Gesellschaften, auch hohe Erwartungen an uns selbst haben. Wir erreichen nicht immer die Ziele, die wir anstreben. Wir ringen mit uns, wenn bestimmte Grundrechte mit anderen in Konflikt geraten. Aber dieses Ringen ist unsere Stärke. Deshalb müssen wir ehrgeizige Ziele für unsere Zusammenarbeit setzen und sie konzentriert verfolgen. Das wird Barack Obamas Botschaft sein.

Obwohl Obama die transatlantische Beziehung weniger eurozentrisch pflegt, als viele Europäer sich erhofft hatten, ist sein Bekenntnis zu den gemeinsamen Werten und Interessen stark und echt. Seine Regierung hat keinen Zweifel daran gelassen, das Europa Amerikas Partner der ersten Wahl ist. Wenn Amerikaner und Europäer einer Meinung sind, sind wir meistens noch immer Kern einer globalen Koalition, die Dinge anpackt. Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, gibt es keine andere Koalition, die etwas erreichen könnte.

Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit sind eine Mahnung, dass sich die transatlantische Führung in der Welt nur dann fortsetzen lässt, wenn wachsame Demokratien auch wirtschaftlich stark sind. Damit unser westliches Modell attraktiv für andere bleibt, muss es zu Hause funktionieren.

Nicht weniger als das sollten wir von uns selbst und dem jeweils anderen erwarten.

Der Autor leitet das Center for Transatlantic Relations an der Johns Hopkins University und ist zurzeit Richard-von-Weizsäcker-Fellow der Bosch-Stiftung in Berlin.

Dan Hamilton

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