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Fünf Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers sind vergleichbare Desaster nicht ausgeschlossen.

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Finanzkrise: Fünf Jahre nach Lehman: Es ist nicht vorbei

Kann das wieder passieren? Ja. Hat die Welt aus der Krise gelernt? Ja. Ist das Geld der Steuerzahler, der Sparer, der Anleger heute sicherer als vor fünf Jahren? Nein.

Fünf Jahre ist es her, dass die US-Bank Lehman Brothers, die einst viertgrößte Investmentbank der Welt, wegen riskanter Finanzwetten auf die Entwicklung des US-Immobilienmarktes Insolvenz anmelden musste. Eine Pleite mit dramatischen Folgen: Sie schickte die Weltbörsen auf Talfahrt, schürte Misstrauen unter den Banken und versetzte die Sparer in Angst und Schrecken. Die Erschütterungen halten bis heute an. Die einstige Bankenkrise hat sich zur Euro-Krise ausgewachsen, an der Staaten wie Griechenland, Portugal und Zypern noch heute leiden.

Mit neuen Regeln, einer gemeinsamen, europäischen Bankenaufsicht und schärferen Eigenkapitalvorschriften für die Banken will die Politik verhindern, dass sich in Europa ein Fall wie Lehman wiederholt. Das ist richtig, aber es hat zu lange gedauert. Noch sind die neuen Vorschriften, die Bankenpleiten verhindern sollen, nicht in Kraft. Und auch das Prozedere, wie man marode Banken abwickelt, existiert derzeit nur auf dem Papier. Für einen zweiten Fall Lehman, das ist die grausame Wahrheit, ist Europa auch fünf Jahre danach nicht gerüstet. „Too big to fail“, zu groß, um fallen gelassen zu werden: Die Erpressung mit der Angst vor dem Chaos funktioniert noch immer. Sollte die Commerzbank fallen oder die Deutsche Bank taumeln, bliebe der Politik auch heute nichts anderes übrig, als den Steuerzahler erneut zur Kasse zu bitten, um die Institute zu retten.

Auch die Anleger, die seinerzeit viel Geld mit unsicheren Zertifikaten verloren haben, stehen heute kaum besser da. Sie können jetzt zwar Produktinformationsblätter studieren, bevor sie Wertpapiere kaufen, doch die versteht kaum jemand. Und auch die Beratungsprotokolle, die der Bankberater nach dem Verkaufsgespräch ausfüllt, dienen mehr dem Schutz des Verkäufers vor Regressforderungen als der Absicherung des Kunden. Unterdessen geht die Verkaufe munter weiter. Auch Hypothekenkredite aus den USA, die einst Lehman das Leben kosteten, werden jetzt den Wertpapierpaketen wieder untergemischt. Nach der Krise ist vor der Krise.

Nein, es ist schlimmer. Denn weil die Banken einander noch immer nicht trauen, nehmen sie lieber das billige Geld der Europäischen Zentralbank, als Geschäfte mit anderen Banken zu machen. Und weil die Regierungen der Euro-Staaten möglichst wenig Zinsen für ihre horrenden Schulden zahlen wollen, sind auch sie auf das billige Geld der Notenbank angewiesen. Sie alle profitieren davon, dass EZB-Chef Mario Draghi die Zinsen niedrig hält. Den Schaden haben all diejenigen, die mit Lebensversicherungen, Betriebsrenten oder Sparplänen für ihr Alter vorsorgen.

Sichere Anlagen bringen so gut wie keine Rendite. 14 Milliarden Euro kostet das die deutschen Sparer allein in diesem Jahr, hat die Postbank ausgerechnet, 21 Milliarden Euro werden es im nächsten Jahr sein. Lebensversicherer kommen ins Schleudern und haben Mühe, die Garantien der Kunden zu bedienen. Anleger müssen ihr Geld in riskantere Papiere stecken, um wenigstens ein bisschen was zu verdienen. Sparer werden zum Zocken gezwungen, Bürger fürchten um ihre Altersvorsorge. Das ist die wahre Krise. Fünf Jahre nach Lehman.

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