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Die EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini (Mitte) mit den Außen- und Verteidigungsministern aus 23 EU-Staaten nach der Unterzeichnung des Beschlussvorschlages für den Rat zur Dauerhaften Strukturierten Zusammenarbeit (Pesco) am Montag in Brüssel.

© EMMANUEL DUNAND/AFP

Europäische Verteidigungspolitik: Pragmatisch und scheinbar unpolitisch

Europa hat keine gemeinsame Strategie. Jetzt wollen 23 EU Staaten trotzdem militärisch enger zusammenarbeiten. Warum das eine gute Übergangslösung ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Am Montag haben sich die Außen- und Verteidigungsminister von 23 EU-Staaten darauf geeinigt, in Zukunft militärisch stärker zusammenzuarbeiten. „Pesco“ heißt das Programm. Das ist eine große Sache. Manche sprechen sogar von einer Verteidigungsunion. Der Ansatzzeigt aber auch den neuen Pragmatismus der europäischen Integrationpolitik.

Der Druck zur engeren Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik ist enorm

Der Druck zur engeren Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik ist enorm. Geopolitisch (Russland)und politisch (Donald Trump),aber auch ganz praktisch. Die Haushälter der Nationalstaaten müssen sparen, und zu sparen seien bei mehr militärischer Zusammenarbeit Milliarden, zeigen immer wieder Studien, unter anderem des wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments. Weil die EU-Staaten sparen müssen, ist die Investitionsquote gering, und weil die Investitionsquote gering ist, entwickelt sich in vielen kleineren Staaten keine eigene Rüstungsindustrie. Und dennoch, weil das die Beschaffung so ineffizient ist, sind die Verteidigungsausgaben aller EU-Staaten zusammen die zweit höchsten der Welt, ohne dass sie auch nur annähernd die zweitstärksten Streitkräfte hätten.

Dem politischen und praktischen Druck gegenüber stehen sehr unterschiedliche strategische Vorstellungen, was eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik denn leisten müsste. Während die baltischen Staatenvor allem die Bedrohung durch Russland fürchten, priorisieren die Südeuropäer die Stabilität Nordafrikas, nicht zuletzt, um Migration zu kontrollieren. Zwar gibt es die „Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik“, entworfen von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, verabschiedet im Juni 2016 – doch die ist rechtlich unverbindlich und definiert eher allgemeine Ziele, wie die Abwehr von Cybergefahren.

Pesco steht für eine pragmatischen, letztlich unpolitischen Ansatz

Pesco ist nun ein cleverer Ausweg aus dem Dilemma praktischer Nöte und strategischer Uneinigkeit. Die Zusammenarbeit ist gleich doppelt „modular“. Nicht alle EU-Staaten müssen sich beteiligen. Und nicht alle Pesco-Staaten müssen sich an allen Projekten beteiligen. Strenggenommen reicht schon eines von strategischer Bedeutung, um im Club zu sein. Das gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die politischen Prioritäten in Kleingruppen, von Projekt zu Projekt, zu verhandeln.

Das ganze Dokument atmet den Versuch, nicht politisch zu sein und setzt damit die bisherige Linie in der Sicherheitspolitik fort. Keine große, europäische Armee soll entstehen, sondern ein Netzwerk unter Freunden. Im Juni wurde zwar eine zentrale Planungs- und Strategieeinheit in Brüssel eingerichtet (die „Military Planning and Conduct Capability“), die aber niemand „Hauptquartier“ nennen darf und die auch nicht das Kommando über laufende Einsätze hat, sondern vielmehr strategische Hintergrundarbeit leisten soll.

Das nun unterschriebene Dokument versucht ebenfalls beinahe in jeder Zeile den Eindruck zu vermeiden, es handele sich um eine europäische Unabhängigkeitserklärung von den USA. Das Bekenntnis zur Nato wird mehrfachwiederholt.

Das ist klug. Mit dem Brexit ist mehr Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik möglichgeworden. Unter dem Druckpopulistischer Bewegungen scheint das Aufgeben hoheitlicher Aufgaben der Nationalstaaten aber wenig opportun. Pesco ist sozusagen eine zeitgemäße Lösung für den Moment– muss auf Dauer aber von einer gemeinsamen politischenStrategie flankiert werden.

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