zum Hauptinhalt
In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen würde die amerikanische Ölförderfirma gerne herausfinden, ob sich Fracking auch in Deutschland wirtschaftlich lohnt. Doch der Widerstand vor Ort ist groß.

© dpa

Energiewende: Fracking ist für Investoren eine Risikotechnologie

Die EU will die Schiefergasförderung regeln – doch die Technik könnte bald unwirtschaftlich sein. Denn wenn die Klimaziele ernst gemeint sind, darf nicht mehr allzu viel Kohlendioxid in der Atmosphäre abgeladen werden.

Seit die US-Gaspreise dank der sogenannten Schiefergas-Revolution stark gesunken sind, tobt auch in Europa der Streit um die umstrittene Fördertechnik. Nun hat Energiekommissar Günther Oettinger eine EU-weite Regelung in Aussicht gestellt.

Beim sogenannten Fracking-Verfahren werden Gasbläschen in festen Gesteinsschichten mithilfe von viel Wasser, Sand und einem Chemikalienmix unter hohem Druck aufgesprengt, um an das Gas heranzukommen. In den USA ist die Technologie ohne große Umweltauflagen eingeführt worden. Inzwischen regt sich aber auch dort Widerstand. In Europa hat Frankreich das Fracking bereits verboten. In Großbritannien wird ähnlich kontrovers darüber diskutiert wie in Deutschland. Und in Polen gab es bis vor wenigen Tagen so etwas wie eine Schiefergas-Euphorie. Doch die dort beauftragte amerikanische Förderfirma Exxon Mobile hat nun das Handtuch geworfen und ihre Arbeiten dort eingestellt. Der Grund: Das Gas liegt viel tiefer als in den USA und ist kaum wirtschaftlich zu fördern.

Der schwerste Einwand gegen die Fördertechnik ist der Einsatz von Chemikalien, deren Zusammensetzung die Firmen bis heute unter Verschluss halten. In einigen Fördergebieten in den USA ist offenbar Gas ins Trinkwasserversorgungsnetz geraten. Anderswo sind Fracking-Flüssigkeiten ins Erdreich gesickert mit dem Risiko, das Trinkwasser zu verseuchen. Außerdem lassen die Fracking-Firmen das Chemikalien-Wasser-Gemisch häufig einfach im Boden liegen.

Die Sorge um die Wasserqualität ist in deutschen Bürgerinitiativen, in der Wasserwirtschaft und bei Mineralwasserfirmen der wichtigste Einwand gegen die Fördertechnik. Union und FDP haben vor wenigen Tagen in einem weiteren Einigungsversuch über ein Fracking-Gesetz den Einsatz der Technik im Einzugsgebiet von Trinkwasserseen ausgenommen. Die Opposition spottet schon über eine „Lex Bodensee“, weil diese Regel nicht für das Einzugsgebiet von Talsperren gelten soll. In einem ersten Kompromiss hatten Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) die Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und ein Förderverbot in Trinkwasserschutzgebieten vereinbart. Rösler feierte den Gesetzentwurf als Fracking-Ermöglichungsgesetz, Altmaier als Fracking-Verhinderungsgesetz. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird, ist eher gering.

Der zweite Einwand, der gegen die Schiefergasförderung spricht, ist die unklare Klimabilanz der Fördertechnik. Zwar setzt Erdgas bei der Verbrennung deutlich weniger Kohlendioxid (CO2) frei als Steinkohle oder, noch schlimmer, Braunkohle. Deshalb ist auch der amerikanische CO2-Ausstoß zuletzt gesunken, weil mehr Gas und weniger Kohle verbrannt worden ist. Doch der Energieaufwand bei der Förderung ist hoch. Und das könnte den Klimavorteil infrage stellen. Entsprechende Forschungsarbeiten dazu sind aber noch nicht abgeschlossen.

In den USA träumen viele schon von einer Reindustrialisierung des „Rostgürtels“ in den vom Niedergang gezeichneten Industrieregionen der Schwerindustrie. Allerdings ist die Reichweite der amerikanischen Schiefergasvorräte umstritten. Zudem werden auch in den USA Umweltauflagen für das Fracking diskutiert, die die Förderung teurer machen könnten. Angesichts des wegen Fracking dramatisch gefallenen Kohlepreises könnten die Wirtschaftlichkeitsberechnungen schnell wieder in Richtung Kohle ausschlagen. In Europa liegen die Schiefergasvorräte ohnehin tiefer und die Förderung wird wohl von Anfang an mit Umweltauflagen belegt werden. Die Wirtschaftlichkeit einer europäischen Schiefergasproduktion ist zumindest fraglich.

Es spricht nichts dagegen, konkrete Versuche mit der Technik zu machen. Dabei geht es eher um wissenschaftliche Erkenntnis als um einen wirtschaftlichen Einsatz. Fracking, aber auch die Förderung von Erdöl oder Kohle steht aber aus Klimaschutzgründen ohnehin unter einem Vorbehalt. Wenn das globale Klimaschutzziel ernst gemeint ist, zwei Grad Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht zu überschreiten, sind das verlorene Investitionen. Denn die Aufnahmekapazität der Atmosphäre für CO2 ist beschränkt.

Zur Startseite