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Offene Fragen. Soll TXL in Betrieb bleiben oder nicht?

© Peer Grimm dpa/lbn

Debatte um die Zukunft des Flughafens: Wenn TXL im Wahlkampf zum Überflieger wird

Der Streit um die Offenhaltung von Tegel befeuer Konflikte zwischen Arm und Reich - und Nord und Süd. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Von einem Flughafen kann man fliegen – oder auch nicht. Beides erleben wir in Berlin. Wegen eines Flughafens kann man hoch fliegen oder tief stürzen – auch das erleben wir gerade, und das geht weiter. Wegen eines Flughafens kann es einen Nord-Süd- und einen Arm-Reich- Konflikt geben. Auch das passiert im Moment in der Stadt. Während aber jedem bewusst ist, dass Tegel funktioniert, der BER jedoch nicht, haben noch nicht alle gemerkt, wie sehr die Debatte über das Offenhalten oder Schließen von Tegel die Gesellschaft spaltet – und was das für den politischen Diskurs in den Monaten bis zur Bundestagswahl bedeuten kann.

Für die Liberalen war das Tegel-Thema ein Jungbrunnen. Die Tegel-offen-halten-Kampagne half der FDP ins Abgeordnetenhaus. Sie wird auch am 24. September Wirkung zeigen, nicht nur beim Volksentscheid, sondern beim Wahlergebnis für die Partei. Und nun hat die CDU gemerkt, woher der Wind weht. Deshalb befragt sie ihre Mitglieder zum Thema Tegel.

Die Führungsspitze der Partei spürt, dass die Stammklientel der Union, die ihre Hochburgen in Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg hat, eine Pro-Tegel-Gemeinschaft ist. Wenn die CDU nicht sehenden Auges in eine Wahlkatastrophe laufen will, die wenig mit Angela Merkel, viel aber mit dem Berliner Flughafenangebot zu tun hat, muss sie einfach auf den Pro-Tegel-Zug aufspringen.

Der SPD drohen wegen Tegel Stimmenverluste

Die SPD hat es da unvergleichlich schwerer. Ihre Wählerschaft lebt in den Einflugschneisen von Tegel, was die CDU nicht kümmert, der SPD aber nicht egal sein darf. In Spandau und in Reinickendorf-Ost leiden die Menschen unter dem Fluglärm. Aber sie haben auch Angst. Angst, dass mit der Schließung von TXL Tausende von Arbeitsplätzen im Norden der Stadt verschwinden. Und das sind sehr oft nicht die Arbeitsplätze des Mittelstandes und von Akademikern, sondern die der gerne zitierten einfachen Leute.

Wofür sollte also die SPD in diesem Arm-Reich-Konflikt sein? Gut möglich, dass sie, egal wie sie sich positioniert, am 24. September wegen Tegel Stimmenverluste ertragen muss. Die werden dann zwar auch Michael Müller angelastet, aber umso mehr, je weniger der Senat von Berlin offensiv mit dem Thema Tegel umgeht.

Der Süden Berlins würde von der Eröffnung des BER massiv profitieren

Was das bedeutet? Die SPD muss begreifen, dass die Frage TXL oder BER auch einen Nord-Süd-Konflikt birgt, der den Arm-Reich-Konflikt überwölbt. Anders als in Zehlendorf würde die Wirtschaft in den südlichen Stadtbezirken von der Eröffnung des BER genauso massiv profitieren wie die anliegenden Brandenburger Regionen. Das Wissenschaftszentrum in Berlin-Adlershof mit seinen vielen tausend Arbeitsplätzen steht da exemplarisch für zahllose Firmen in den Landkreisen Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming, für die es am BER gar nicht schnell genug losgehen kann.

Auch deshalb will die Brandenburger Landesregierung Tegel nicht offen halten, einmal ganz abgesehen von den doppelten Kostenstrukturen, die der gleichzeitige Betrieb von Tegel und BER-Schönefeld zwangsweise nach sich ziehen würde. Im Gegensatz zur Berliner FDP und Teilen der CDU kann man in Potsdam offenbar rechnen. Warum thematisiert der Senat das nicht und informiert nicht auch über die vielen Arbeitsplätze, die auf dem TXL-Gelände neu entstehen werden?

Milliardeninvestitionen würden in Tegel nötig - gegen geltendes Recht

Damit sind wir an dem Punkt, der die TXL-Befürworter aus FDP und CDU wohl gar nicht interessiert: die Rechtslage. Sie sieht, Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom März 2006, die Schließung von Tegel sechs Monate nach der Inbetriebnahme von BER vor. Wer es nicht glaubt: TXL ist marode bis ins Mark. Wer hier etwas weiterbetreiben will, muss einen Milliardenbetrag investieren, gegen geltendes Recht!

Was Berlin, Brandenburg und der Bund tatsächlich vorantreiben müssen, ist die Eröffnung des BER. Seit Monaten drücken sich da alle vor der Verantwortung. Die noch präsenten Firmen leben blendend davon, dass der Flughafen nicht eröffnet wird. So lange können sie abrechnen. In Verwaltung und Geschäftsführung traut sich niemand, klipp und klar zu sagen: Wir eröffnen zu einem Zeitpunkt X im Jahr 2018. Was dann noch nicht fertig ist, vollenden wir im laufenden Betrieb, und wenn es unter Einsatz von Mitarbeitern ist, die vor Ort helfen. Das ist im kleinen Maßstab die verspottete Mensch-Maschine-Lösung des Ex-Flughafenchefs Schwarz, der vor jede nicht funktionierende Automatiktür Bedienungspersonal stellen wollte. Darum geht es heute nicht. Der BER ist weitgehend fertig, also legt endlich los!

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