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Stefan Raab vor dem Logo der ProSieben-Sendung "TV total".

© dpa

Zum Geburtstag: Können TV-Genies Comeback?

Stefan Raab verließ das Fernsehen mit 49, Hape Kerkeling mit 50 Jahren. Sollten sie beide über eine Rückkehr nachdenken?

Stefan Raab ist unsichtbar geworden. Seit seinem Knall-auf-Fall-Rückzug aus dem Fernsehen im Juni 2015 hat er die Tarnkappe auf. Kein Auftritt im TV, mal kurz für Udo Lindenbergs Kapelle am Schlagzeug getrommelt, hin und wieder soll er Heimspiele des 1. FC Köln besucht haben. Raab hat sich dermaßen entschlossen ins Privatleben zurückgezogen, dass nur Wichtigtuer behaupten können, sie wüssten, was Raab mache und was er nicht mache.

1999 schrieb der Kölner in der „Zeit“, er wolle für ein paar Jahre mit einem großen Katamaran um die Welt segeln. Seine Lebensgefährtin und er haben zwei Töchter, geboren 2004 und 2006, da scheint es unwahrscheinlich zu sein, dass der Familienvater sich auf Jahre hinaus aufs Meer verabschiedet. Seine Managerin Gaby Allendorf sagt: „Was er vorhat, steht in den Sternen.“ Derzeit genieße er seine Auszeit. Auch beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC), den die Brainpool-Tochter Raab TV produziert, sei er konzeptionell nicht beteiligt. „Er hat sich ja aus dem TV-Geschäft zurückgezogen“, heißt es bei Brainpool. Stefan Raab äußert sich selber gar nicht, Interview-Wünsche lehnt er ab.

Stefan Raab wird an diesem Donnerstag 50, also hat er sich mit 49 Jahren vom „Fernseh-Raab“ verabschiedet. Bis heute ein unerhörter Vorgang, vergleichbar nur mit dem selbst gewählten Finale von Hape Kerkeling, der die „Keine Geburtstagsshow“ zu seinem 50. im Dezember 2014 mit der Ankündigung verband, seine Karriere im großen Showgeschäft zu beenden. Ihre Motive haben weder Kerkeling noch Raab ausgebreitet.

Lücken und keine Lücken

Haben sie Lücken hinterlassen? Nein, denn die große Unterhaltungsmaschine Fernsehen kennt keine Lücken, es kennt nur ein Perpetuum Mobile. Ja, Raab und Kerkeling haben Lücken hinterlassen, weil sie für ihr Fernsehen standen und einstanden. Ein Kai Pflaume, ein Jörg Pilawa, ein Johannes B. Kerner, sie können morgen aufhören – und zurück bleibt beim Publikum höchstens ein Phantomschmerz. Diese Moderatoren, weitere Namen sind möglich, bedienen und dienen den (Quiz-)Formaten, die andere Fernsehhandwerker für sie gezimmert haben. Nichts dagegen, das 24-Stunden-Medium braucht jede Menge Mitarbeiter, die präzise, freundlich bis charmant Showfernsehen exekutieren.

Sie können aber in der Raab-Kerkeling-Skala nur unten stehen. Stefan Raab hat aus seiner „TV total“-Zelle ein Universum geschaffen: „Wok-Weltmeisterschaft“, das bombastische „TV total Turmspringen“, das war eigenständiges Quatsch-Fernsehen, bis Raab sein Format gefunden hatte: „Schlag den Raab“. Das waren unerbittliche Duelle mit Kopf und Körper bis tief in die ProSieben-Nacht – und es war das Dementi, dass die große Samstagabendunterhaltung als Fernsehshow nach dem Ende von „Wetten, dass...?“ mausetot sei. Da war der Ehrgeiz, den er bei seinem Dauerbrenner „TV total“ längst vermissen ließ.

Das Universum des Stefan Raab war auf TV total getrimmt. Sport stand im Vordergrund, Raab im Mittelpunkt. Wichtig war nicht, dass Raab bester Torwart oder bester Springer war, wichtig war, dass Raab sich selbst riskierte.
Das Universum des Stefan Raab war auf TV total getrimmt. Sport stand im Vordergrund, Raab im Mittelpunkt. Wichtig war nicht, dass Raab bester Torwart oder bester Springer war, wichtig war, dass Raab sich selbst riskierte.

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Da hatte der Musiker Stefan Raab bei all seinen sechs ESC-Teilnahmen – ob als Komponist, Sänger, Juror oder Produzent – jedes Mal eine Top-Ten-Platzierung geholt. Da musste der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück beim TV-Duell 2013 mit der CDU-Kanzlerin Angela Merkel begreifen, dass der, den er ursprünglich als Fragesteller abgelehnt hatte, mit den griffigsten Fragen auf die Duellanten zukam: Stefan Raab. Über all seinen Fernsehauftritten und -aktivitäten war der gelernte Metzger clever genug gewesen, das System Raab mit eigener Produktionsfirma zu unterfüttern; damit waren Unabhängigkeit und steter Geldfluß gesichert.

Egomanische Fernsehgenies

Natürlich haftet Stefan Raab wie auch Hape Kerkeling bei aller Eigenheit auch etwas Egomanisches an. Kerkeling, dieser Wort- und Verwandlungskünstler, holte eine Figur nach der anderen aus sich heraus. Horst Schlämmer war seine populärste, Uschi Blum als deutsche Miss Piggy seine verzweifeltste. „Das ganze Leben ist ein Quiz“?, bestimmt, und Hape Kerkeling dessen bester Kandidat. Ende 2011 bot ihm das ZDF die Nachfolge von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass...?“ an. Kerkeling hatte recht, das war nicht seine Show.

Raab und Kerkeling würden ein eminentes Risiko mit einem Comeback eingehen. Sie müssten ihr bisheriges Fernsehwerk überholen, ohne von ihm eingeholt zu werden. Das Publikum erinnert sich an goldene Momente mit diesen TV-Genies. Das ist eine einzigartige Messlatte. Vom besten zum noch besseren Fernsehen – was für ein Wagnis. Raab hat mit 49 Jahren aufgehört, Kerkeling mit 50. Thomas Gottschalk macht auch mit 66 Jahren weiter. Das ist ihm, der sich mit „Wetten, dass..,?“ ewigen Fernsehruhm erarbeitet hat, nicht gut bekommen. Gottschalk ist seine eigene Marke, zweifellos, aber Marken unterliegen im TV-Business offenbar einem Verfallsdatum. Oder so: Thomas Gottschalk ohne „Wetten, dass...?“ ist nur Thomas Gottschalk, wie Günther Jauch ohne „Wer wird Millionär?“ auf Günther Jauch zurückfallen würde.

Das ist der Unterschied: Stefan Raab und Hape Kerkeling sind TV-Erfinder, Fernsehentertainer aus eigener Kraft und Kreativität. Was für eine Fallhöhe, wenn aus dem Rückzug wieder ein Einzug werden sollte.

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