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 Jens Jarisch leitet die Redaktion „Künstlerisches Wort“ beim RBB-Kulturradio. Er ist damit für Hörspiele und Radio- Features zuständig.

© rbb/Gundula Krause

Zu meinem ÄRGER: Dumme Kapitalismus-Propaganda

Gehirnwäsche in Radio Teddy, klare Worte im DB-Magazin "mobil" und ein musikalischer Webvideo-Tipp. Jens Jarisch vom RBB Kulturradio ordnet die Medienwoche ein.

Herr Jarisch, worüber haben Sie sich in dieser Woche in den Medien geärgert?

Als ich am Donnerstag mit meinem Sohn im Auto unterwegs war, wollte er Radio Teddy hören. So verfolgten wir ein Gewinnspiel, bei dem eine Anruferin einen Gutschein für irgendein Einkaufszentrum gewann, was der Moderatorin nur dazu diente, die Vorzüge des Einkaufszentrums vorzulesen. Radio Teddy ist ja so süß und für Kinder, und deshalb muss es ja gut sein. Daher traue ich mich gar nicht, diese dumme Kapitalismus-Propaganda zu kritisieren. Stattdessen fokussierte sich mein Ärger auf die Anruferin, die für einen blöden 100-Euro-Gutschein on air ihre Seele verkaufte, indem sie ungefragt ihre Vorstellung von einem wunderschönen Einkaufserlebnis mit Besuch im Foodcourt beschrieb. Um mein Kind vor dieser Gehirnwäsche zu schützen, schaltete ich aus und hörte mir stattdessen den Rest des Weges seine Beschwerde darüber an.

Gab es auch etwas, worüber Sie sich freuen konnten?

2017 haben wir ja ein deutsches Doppeljubiläum – das 500. Lutherjahr und die 200. Ausgabe von „mobil“, der Kundenzeitschrift der Deutschen Bahn. Das allein macht mich schon jubeln. Die Reformation hat ja auch eine Kundenzeitschrift hervorgebracht: „chrismon“. Beide Zeitschriften wagen sich nicht in den ehrlichen Verkauf, sondern schummeln sich irgendwie zu einer Leserschaft, indem sie entweder der „Süddeutschen Zeitung“ oder den Zügen der Deutschen Bahn beiliegen – und erreichen mit diesem Guerilla-Vertrieb weit über eine Million Menschen. Doch nun die Überraschung! Während das Bahn-Magazin brav Werbung für das Reformationsjubiläum macht, steht in der aktuellen Ausgabe des Kirchen-Magazins kein einziges Wort über Luther. Der einzige echte Unterschied scheint im Selbstbewusstsein der beiden Unternehmen zu liegen. Während in „chrismon“ der Chef der evangelischen Kirche sich nicht richtig traut, offen den Bau neuer Kirchen in Deutschland zu fordern, sondern mit diesem Verlangen junge Christen aus der bayerischen Oberpfalz vorschickt, antwortet in „mobil“ der Chef der Energiesparte der Deutschen Bahn auf die Leserinnenfrage „Warum verkauft die DB jetzt Strom?“ mit herzerfrischender Offenheit: „Weil wir es können.“

Welches Internet-Video empfehlen Sie?

Nach einem der berührendsten Musikvideos ever – Chandelier – hat die Musikerin Sia ein weiteres, hoch dramatisches Video mit der fast überirdischen Tänzerin Maddie Ziegler herausgebracht, Elastic Heart, das auch einen ziemlich unglaublichen Shia LaBeouf zeigt.

Jens Jarisch leitet die Redaktion „Künstlerisches Wort“ beim RBB-Kulturradio. Er ist damit für Hörspiele und Radio- Features zuständig.

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