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Gut und schlecht sind in „Böser Wolf“ nicht immer klar zu erkennen. Die Rocker haben Julia (Karin Hanczewski) davor bewahrt, in den Tod zu springen.

© ZDF und Christian Lüdeke

ZDF-Krimi "Böser Wolf": Gebrochenes Leben

Im ZDF-Krimi „Böser Wolf“ geht es um systematischen Kindesmissbrauch. Die Vorlage für den Film lieferte der gleichnamige Roman von Nele Neuhaus.

„Wir neigen dazu, über schlimme Ereignisse nicht zu reden. Kinderpornographie ist schon lange kein Ereignis mehr, sondern ein großes Geschäft. Und diese Menschen, die diese Geschäfte machen, kommen aus allen Schichten unserer Gesellschaft“, sagt die Schauspielerin Felicitas Woll, auf die Frage, was sie beim ersten Lesen des Drehbuchs zu „Böser Wolf“ empfunden hat. Es handelt von systematischem Kindesmissbrauch und organisierter Kriminalität gegen Kinder. Der danach entstandene ZDF-Zweiteiler basiert auf dem gleichnamigen Roman von Nele Neuhaus. „Mir ist es schwer gefallen, mich mit dem Thema filmisch zu beschäftigen, weil es mir als Mensch einfach nur den Atem nimmt“, sagte Felicitas Woll, die in den Verfilmungen der Taunuskrimis die Rolle von Kommissarin Pia Kirchhoff übernommen hat.

Ein totes Mädchen wird aus dem Wasser gezogen

Mit diesem Problem ist die Schauspielerin nicht allein. Dem Film ist anzumerken, wie schwer allen Beteiligten die Umsetzung des Themas gefallen ist. In der Sorge, das Publikum nicht allzu sehr zu verschrecken, wirken einige Passagen beinahe verharmlosend steril. Ein aufrüttelnder Film wie „Es geschah am helllichten Tag“ von 1958 mit Gert Fröbe ist „Böser Wolf“ darum nicht geworden, obwohl der organisierte Missbrauch von Kindern in der Neuhaus-Verfilmung nicht minder erschütternd ist als die von Friedrich Dürrenmatt ersonnene Handlung.
Der ZDF-Zweiteiler beginnt damit, dass die Leiche eines 15-jährigen Mädchens gefunden wird. Immer wieder wird später das Bild der auf dem Bauch liegenden Toten zu sehen sein, die aus dem Wasser gezogen wurde, ausgemergelt, zerschunden. Bei der Obduktion werden stellt schlecht verheilte Knochenbrüche am ganzen Körper festgestellt und Spuren jahrelangen sexuellen Missbrauchs. Zudem ergibt die Untersuchung, dass das Mädchen seit Jahren kein Tageslicht mehr gesehen hat. Wer die Tote ist, weiß niemand, „Nixe“ heißt der Fall fortan. Noch ahnt niemand, wohin er sich entwickelt. Doch Ähnlichkeiten zu realen Fällen wie der Entführung und jahrelangen Misshandlung von Natascha Kampusch oder den Verbrechen des belgischen Kindermörders Marc Dutroux sind kein Zufall.

Felicitas Woll spielt die Ermittelerin

„Böser Wolf“ ist der sechste Roman aus der Taunuskrimi-Reihe von Nele Neuhaus. Zusammen mit dem siebten Krimi „Die Lebenden und die Toten“ von 2014 wurden sechs Millionen Exemplare verkauft. Nele Neuhaus unterstützt in Frankfurt ein Mädchenhaus. In den ZDF-Verfilmungen hat neben Felicitas Woll Tim Bergmann die Ermittlerrolle von Oliver von Bodenstein übernommen. Der hochgewachsene Kommissar leitet das Team, ist um korrektes Verhalten bemüht, wozu auch sein Privatleben inklusive Ehefrau und Kindern passt – auch wenn man davon in den Filmen nicht viel mitbekommt, weil Bodenstein und Kirchhoff mit ihrer Arbeit verheiratet sind. Die Ehe der Kommissarin ist gescheitert, ihren Ex sieht sie dennoch regelmäßig, denn Henning Kirchhoff (Kai Scheve) ist der Polizeiarzt.

Ein komplexer Plot

Anna Tebbe, die das Drehbuch nach dem Neuhaus-Roman geschrieben hat, und Regisseur Marcus O. Rosenmüller haben für den TV-Zweiteiler einen hoch komplexen Plot entworfen und umgesetzt. Sie nutzen den Freiraum der 180 Minuten, um sich dem Thema in seiner ganzen Tragweite von verschiedenen Seiten zu nähern. Mehrere Stränge laufen anfangs nebeneinander her: Im Mittelpunkt stehen die Ermittlungen von Bodenstein und Kirchhoff. Hinzu kommt die Entführung und Misshandlung der attraktiven TV-Moderatorin Hanna Herzmann (Jenny Elvers), die dabei dem Tod nur knapp entkommt. Ihre investigativen Recherchen werden ihr beinahe zum Verhängnis.

Natalia Wörner spielt die Psychologin Leonie Verges, bei der nicht ganz ersichtlich ist, ob sie immer im Interesse ihrer Patienten handelt oder ob sie ganz andere Ziele verfolgt. Der Rockerboss (Jürgen Tarrach) hat sich auf einem ehemaligen Armee-Standort eingenistet. Von dort flieht Julia (Karin Hanczewski) und irrt durch Frankfurt. Michael Mendl spielt Josef Finkbeiner, den selbstbewussten Arzt und Chef eines Waisenhauses, das in einer pittoresken Burg untergebracht ist. Welche Rolle der Ex-Anwalt Kilian Rothemund (Alex Brendemühl) spielt, der nach Kindesmissbrauch-Vorwürfen auf einem Campingplatz untergetaucht ist und dort wegen seiner eindringlichen Augen nur Husky genannt wird, ist unklar. Und dann stellt sich noch die Frage, was es mit der kleinen Louisa, Bella Bading, auf sich hat? Bis zu den Antworten ist Geduld nötig.

2012 gab es "Tatort"-Doppelfolgen zum Thema Kindesmissbrauch

Das schwierige Thema sexueller Missbrauch Minderjähriger scheint indes geradezu zu Zweiteilern zu verleiten. 2012 strahlte die ARD zu Ostern die „Tatort“-Doppelfolge „Kinderland“ und einen Tag später „Ihr Kinderlein kommet“ aus. Die Suche nach einem vermissten Mädchens wird zum Mordfall, die Ermittler aus Leipzig und Köln werden mit Straßenkindern und dem Kinderstrich konfrontiert. Ebenfalls 2012 ermittelte Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) in einem Zweiteiler den Mord an einem minderjährigen Mädchen, das sexuell missbraucht wurde. Der Fokus von „Wegwerfmädchen“ und „Das goldene Band“ lag auf den Themen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Eines verbindet jedoch alle diese Filme. Die Realität ist noch schlimmer als die Fiktion.
- „Böser Wolf“ – ein Taunuskrimi“, ZDF, Montag und Dienstag, jeweils 20 Uhr 15

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