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Ein Unterstützer der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bei Protesten vor der Türkischen Botschaft in Berlin.

© Nicolas Armer/dpa

Werbung: Der schwierige Umgang mit türkischen Image-Kampagnen

Der Nestlé-Konzern hat eine Anzeige mit einer sehr wohlwollenden Türkei-Werbung zurückgezogen. Doch die Türkei will ihr Bild in der deutschen Öffentlichkeit weiter durch Zeitungswerbung verbessern.

Für die türkische Niederlassung des Nestlé-Konzerns stand das Engagement in der Türkei außer Frage: „Die Türkei ist ein fantastischer Ort zum Arbeiten“, wollte Felix Allemann, der Vorstandschef von Nestlé Türkei, alle Welt wissen lassen, vor allem aber die Leser von Zeitungen in Deutschland. Zumindest bis zum April. Dann gab der Nahrungsmittelkonzern bekannt, dass er seine Teilnahme an der Kampagne bis auf Weiteres gestoppt habe.

Der türkische Staat ist indes weiter bemüht, sein Bild in der deutschen Öffentlichkeit zu verbessern und will weitere Motive aus der Kampagne "Discover my turkey story" platzieren. Doch im Moment ist nicht die Zeit, in der sich die Anzeigenleiter, Verlagschefs und Chefredakteure von deutschen Zeitungen über solche ganzseitigen Anzeigenofferten freuen.

Der Tagesspiegel gehört dabei zu jenen Zeitungen, die Anzeigen mit diesem Claim abgelehnt haben. „Eine Imageanzeige anzunehmen, während in der Türkei Menschrechtsaktivisten verhaftet werden, Journalisten im Gefängnis sitzen und der Ausnahmezustand verlängert wird, ist einfach absurd“, begründen die beiden Tagesspiegel-Chefredakteure Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt die Haltung der Zeitung. Auch das „Handelsblatt“, das ebenso wie der Tagesspiegel zur Verlagsgruppe Dieter von Holtzbrinck gehört, lehnte die neuen Kampagnen-Anzeigen ab.

Die "Süddeutsche" in der Kritik

Gerade erst musste die „Süddeutsche Zeitung“ viel Kritik dafür einstecken, eine Anzeige zum Jahrestag der Niederschlagung des Putsches in der Türkei am vergangenen Sonnabend abgedruckt zu haben. Unter der Überschrift „Sieg der Demokratie über den Terror“ hatte die Union der Kammern und Börsen der Türkei (TOBB) via „SZ“ erklären können, dass man „nur durch den gemeinsamen Einsatz für demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Gesellschaften eine bessere Zukunft gestalten“ könne. Andere Medien hatten diese Anzeige hingegen nicht angenommen.

„Es ist aller Ehren wert, wenn Zeitungen solche Anzeigen ablehnen“, sagt Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten- Verband (DJV), fügt aber hinzu: „Wir haben zugleich großes Verständnis für Zeitungen, die diese Anzeigen dennoch veröffentlichen. Zum einen, weil es die Trennung zwischen Redaktionen und Anzeigenabteilungen gibt, zum anderen, weil Zeitungen nun einmal von Anzeigen leben. Eine Generalverurteilung für den Abdruck dieser Anzeigen kann es darum aus unserer Sicht nicht geben“, sagte Zörner dem Tagesspiegel. Für eine Anzeige wie der des Dachverbandes von Unternehmen in der Türkei verlangt die „Süddeutsche Zeitung“ laut SZ-Mediadaten 86 200 Euro.

Die neuen türkischen Image-Anzeigen wurden offenbar vor allem überregionalen Zeitungen beziehungsweise Zeitungen mit überregionaler Ausstrahlung angeboten. Die Mediengruppen Funke („WAZ“, „Berliner Morgenpost“) und Madsack („Hannoversche Allgemeine“, „Leipziger Volkszeitung“) teilten mit, dass ihnen die Imageanzeigen nicht angeboten wurden. Die „FAZ“ konnte bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe dazu nichts sagen, eine Anfrage beim SZ-Mutterkonzern SWMH blieb zunächst unbeantwortet. Am Donnerstagmorgen teilte die SWMH mit, dass weder der "SZ" noch der "Stuttgarter Nachrichten" oder "Stuttgarter Zeitung" diese Kampagne vorliege.

Für den Verlag der „Süddeutschen“ war bei der Anzeige zum Jahrestag des Putsches entscheidend, dass Absender oder Inhalt nicht gegen den Geist der Verfassung oder sonstiges Recht und Gesetz verstoßen. Die Anzeige sei entlang dieser Kriterien vorab geprüft worden, die Frage, wie der Verlag zum Inhalt der Anzeige steht beziehungsweise ob er diesen für unbedenklich hält, sei somit für die Entscheidung, ob diese Anzeige veröffentlicht wird, nicht ausschlaggebend.

Die Lage in der Türkei beschönigt

Diese Stellungnahme sei grausig, kaum verständlich, ausweichend und selbstgerecht, hielt der Hamburger Journalistikprofessor Volker Lilienthal via Twitter entgegen. Nach seiner Einschätzung werden die Vorfälle des gescheiterten Putsches in der Anzeige beschönigt und seine Folgen verschwiegen. Die Anzeige konterkariere zudem die kritische Berichterstattung der „Süddeutschen“ über das Land unter Staatschef Erdogan. Auch „Spiegel“ und „Bild“ wurde die Putsch-Anzeige angeboten. Dort lehnte man ab. Diese politische Anzeige sei zu weit gegangen.

Der Zeit-Verlag hat die Anzeige zum Putsch-Jahrestag ebenso abgelehnt, hatte die Discover-Anzeigen im April jedoch anders bewertet. Hier stand die Türkei als Wirtschaftsstandort im Fokus, sagte Anzeigenleiter Matthias Weidling. Nestlé Deutschland erklärte am Abend, es habe sich nichts daran geändert, dass die Kampagne bis auf Weiteres nicht mehr unterstützt werde.

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