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Diskussion über Kanzlerin Merkel: Anne Will und ihre Gäste

© dpa/NDR/Wolfgang Borrs

TV-Talk "Anne Will" über Merkel: Deutsche, hört auf mit den Wehleidigkeiten!

Es sollte um Angela Merkel und ihre vermeintliche Schwäche gehen. Doch die Gäste bei Anne Will verfehlten das eigentliche Thema der Sendung.

Wenn man, egal ob im Fernsehen oder bei sonst irgend einer Diskussion, Menschen zu einer Debatte über ein Thema einlädt, von dem sie entweder nichts verstehen, oder sich aus Sachzwängen vor einer klaren Äußerung drücken, oder genau diese Aussage treffen, weil man das von ihnen einfach erwartet, ganz unabhängig davon, ob sie es denn beurteilen können – ja, dann muss man, wie Anne Will, die Frage stellen: „Mächtig oder ohnmächtig – wie geschwächt ist Angela Merkel?“

Geladen waren Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung und stellvertretende CDU-Vorsitzende; Carsten Schneider, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion; Viviane Reding, Europaabgeordnete aus Luxemburg; der der SPD verbundene Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel und der stellvertretende Zeit-Chefredakteur Bernd Ulrich.

Rhetorisches Scharmützel und sedierende Blicke

Ursula von der Leyen sagt, was man von ihr, der Meisterin der taktischen Disziplin, erwartet: dass Angela Merkels Erfahrung wichtig sei, dass vor zwölf Jahren Deutschland der kranke Mann Europas gewesen sei, heute aber eben ungemein erfolgreich, was alles richtig ist, aber die Frage eben nicht beantwortet, zumal weder das eine noch das andere mit Merkel eindeutig zusammenhängt. Kann man aber auch von einer Politikerin nicht verlangen, deren Drang nach Höherem ungebrochen ist.

Dann Carsten Schneider, der SPD-Mann, der Merkel schätzt (glaubt man ihm), ihre Macht aber erodiert sieht, und sich nebenbei auf ein rhetorisches Scharmützel mit von der Leyen einlässt, das sie mit sedierenden Blicken zu gewinnen glaubt. Stimmt aber nicht. Da nervt sie einfach.

Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler mit Platz in der SPD-Grundwertekommission, beklagt bei der Kanzlerin das Fehlen der großen Überschrift, des berühmten Narrativs, der Begründung, warum man sie denn wählen solle, wofür man sie denn brauche.

Merkel, der Anker

Aber Charisma, das hat die Kanzlerin eben nicht, das hört man auch bei der sehr sympathisch-ungespreizten Europa-Politikerin Vivian Reding aus Luxemburg heraus, die ganz einfach die Erwartungen Europas an die Deutschen artikuliert: Die Welt ist im Aufruhr, wir brauchen Verlässlichkeit, Angela Merkel war immer der Anker. Und dann sagt sie, die von sich dementiert, eine Parteigängerin der Kanzlerin zu sein: Wir Europäer wollen Gewissheit von Deutschland.

Bernd Ulrich von der „Zeit“ meint zwar, angesichts der globalen Unwägbarkeiten seien die deutschen Unsicherheiten allenfalls ein Zittern, aber wenn bei dieser Sendung, die ihr eigentliches Thema verfehlte, eines deutlich wurde, dann eben auch dies: Deutsche, hört auf mit euren Wehleidigkeiten, ihr seid eine, vielleicht die europäische Führungsmacht, nicht nur Frankreich wartet auf euch. Also regiert endlich!

Fazit: Ist am Ende nicht Angela Merkel geschwächt, sondern Deutschland, weil seine politischen Exponenten sich gerade eine ziemlich selbstgefällige Nabelschau leisten?

Die Frage kann man sogar beantworten, wenn man/frau Anne Will nicht gesehen hat.

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