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Wiedererkennungswert. US-Talkmasterin Oprah Winfrey (rechts) mit dem damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und Frau Michelle.

© dpa

TV-Star und die große Politik: Oprah for President

Etwas Leidenschaft und Aufregung: Mit einer Rede bei der Golden Globes Verleihung weckt der US-Talkshow-Star Oprah Winfrey große Erwartungen.

War das der Obama-Moment für Oprah Winfrey? Im Jahr 2004 legte der spätere US-Präsident Barack Obama mit einer Ansprache über die Verbundenheit aller Amerikaner über die Parteigrenzen hinweg das Fundament für seine steile Karriere. Jetzt könnte Winfreys Rede über die Hoffnung auf eine Welt ohne Diskriminierung bei der Verleihung der Golden Globes am Sonntag in Los Angeles als Ausgangspunkt einer weiteren spektakulären politischen Laufbahn in die Geschichte eingehen.

In nur neun Minuten hat die 63-jährige Talkshow-Moderatorin, Medienunternehmerin und Milliardärin das politische Amerika aufgemischt. Die Frage, ob Winfrey bei der Präsidentschaftswahl 2020 gegen Donald Trump antritt, ist nach ihrer Rede in aller Munde – und sagt viel über das Verhältnis zwischen Showbusiness und Politik und über den Zustand der Opposition. Millionen jubeln ihr zu, doch Skeptiker meinen, ein politisch unerfahrener Ex-Fernsehstar als Präsident sei erst einmal genug.

In Los Angeles sprach Winfrey, die bekannteste Afro-Amerikanerin der USA neben Michelle Obama und Popstar Beyonce, über ihre eigene Kindheit als Tochter einer Putzfrau in Wisconsin, eine Zeit, in der sie so arm war, dass sie Kleider aus Kartoffelsäcken trug. Sie sprach über Rosa Parks, die Heldin der Bürgerrechtsbewegung in den USA, und über einen Alltag, in dem Frauen sexuelle Übergriffe von Männern erdulden müssen. Vor allem aber sprach sie unter dem Jubel ihres Publikums über ihre Überzeugung, dass „ein neuer Tag am Horizont“ anbreche.

Nicht nur im Saal war die Rede ein Hit: Die Video-Aufzeichnung der Ansprache wurde in den 36 Stunden nach dem Auftritt auf YouTube mehr als drei Millionen Mal angeklickt. Mit ihrer Eloquenz und ihrer Leidenschaft wurde Winfrey im Handumdrehen zur Hoffnungsträgerin der Trump-Gegner. Eine Präsidentschaftskandidatin Winfrey würde wichtige Wählergruppen der oppositionellen Demokraten ansprechen: Frauen und Afro-Amerikaner. Selbst konservative Trump-Kritiker wie der Journalist William Kristol signalisieren ihre Unterstützung für Winfrey.

Winfrey hätte das nicht nötig

Die bisherigen Kandidaten der Opposition – die entweder bereits sehr betagt oder den meisten Amerikanern völlig unbekannt sind – verblassen neben ihrer Starpower. Etwas Leidenschaft und Aufregung könne die Partei gut gebrauchen, sagte Gilda Cobb-Hunter, eine demokratische Politikerin in South Carolina, der „Washington Post“.

Im vergangenen Jahr hatte Winfrey die Frage nach einer Kandidatur offengelassen. Nun fachte ihr Lebensgefährte Stedman Graham die Spekulationen über „Oprah 2020“ an, indem er der „Los Angeles Times“ sagte, die TV-Moderatorin werde „absolut“ antreten, wenn die Leute es wollten. Winfrey selbst äußerte sich zunächst nicht zur K-Frage.

Obwohl Winfrey wie Trump durchs Fernsehen bekannt wurde, ist sie aus Sicht ihrer Bewunderer ein „Anti-Trump“. Der Präsident ist derb und verletzend, Winfrey warm, optimistisch, versöhnend. Trump streicht soziale Programme zusammen, Winfrey schenkte einmal jedem Studiogast ihrer Talkshow ein Auto. Doch wie Trump ist sie eine Vertreterin der Fernseh-Scheinwelt.

Die Autos wurden nicht von ihr selbst bezahlt, sondern vom Hersteller. Noch eines verbindet sie mit Trump: Grundlage einer Kandidatur wäre ihr landesweiter Bekanntheitsgrad. Winfrey ist jedem Amerikaner ein Begriff, sie wird überall nur Oprah genannt. Dieser Wiedererkennungswert ist ein wichtiger Faktor, mit dem weniger prominente Politiker zu kämpfen haben. In einem riesigen Land wie den USA muss ein Kandidat viele Klinken putzen, bis sein Gesicht allen bekannt ist. Winfrey hätte das nicht nötig.

Polit-Profis in Washington sind dennoch skeptisch. Trump sei zugleich ein Argument für und gegen Winfrey, sagte Nancy Pelosi, die Fraktionschefin der oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus. Möglicherweise wollen die Amerikaner nach Trump wieder einen erfahrenen Politiker an der Spitze des Staates sehen. Niemand weiß, was Winfrey zum Beispiel zur Finanzpolitik oder zum Krieg gegen den Islamischen Staat zu sagen hat. Unklar ist auch, ob sich Winfrey den Stress einer Kandidatur antun will. Im Wahlkampf wäre sie nicht mehr der bewunderte TV-Star, sondern eine Politikerin, die hinterfragt, kritisiert und vielleicht auch verleumdet würde. So leicht wie in ihren neun Minuten in Los Angeles hätte es Winfrey nie mehr.

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