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Wie presseähnlich ist die neue „Tagesschau“-App? Diese Frage muss sich die ARD auch nach Veröffentlichung der neuen App stellen lassen.

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"Tagesschau"-App 2.0: Neue Form, alter Zwist

Die neue „Tagesschau“-App setzt verstärkt auf Bilder und Videos. Den Streit mit den Zeitungsverlegern wird sie jedoch nicht beenden.

Kein Wort über die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln. In ihrem äußerst ausführlichen Vorwort zur neuen Fassung der „Tagesschau“-App geht Christiane Krogmann, Redaktionleiterin von tagesschau.de, mit keiner Silbe auf die Entscheidung von Ende September ein. Dabei hatte das Gericht nach jahrelangem Hin und Her beschieden, dass die Zeitungsverlage die App des öffentlich-rechtlichen Senders zu Recht als Bedrohung empfunden haben. Zu presseähnlich, lautete das Urteil des OLG, das sich bei seiner Entscheidung auf die App stützte, so wie sie am 15. Juni 2011 ausgesehen hatte. Seither habe sich das Erscheinungsbild erheblich geändert, hatte die ARD die App direkt nach der Urteilsverkündigung verteidigt. Am Mittwoch wurde nun zudem eine komplett neue Version der „Tagesschau“-App veröffentlicht. Christian Nitsche, Zweiter Chefredakteur der Redaktion ARD aktuell, bestritt bei der Präsentation in Hamburg sogar, dass die Neuentwicklung eine Antwort auf den jahrelangen Rechtsstreit zwischen Verlegern und der ARD sei.

"Eine schöne App", sagt sogar der BDZV

Zumindest in der Smartphone-Variante sieht die „Tagesschau“-App 2.0 tatsächlich nicht sofort wie ein Presseprodukt aus, sondern durchaus wie ein Produkt der televisionären Welt. „Die neue App ist tatsächlich eine sehr schöne App für die mobile Nutzung“, lobt auch Helmut Verdenhalven, der im Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) die Medienpolitik leitet. Doch an der rechtlichen Bewertung ändere sich nichts. „Wer die Nachrichten haben will, muss sie lesen. Das sind keine audio-visuellen Beiträge, sondern höchstens animierte Fotos, damit ist die App ähnlich problematisch wie zuvor“, meint der BDZV-Vertreter. Noch deutlicher wird dies, wenn die App auf einem Tablet installiert wird. Die neben den Bildern stehenden Texte sind dann direkt erkennbar erheblich länger und hintergründiger, als es in einer „Tagesschau“-Sendung im Fernsehen möglich wäre.

Die ARD erklärt die neue Form indes nicht als Reaktion auf den seit Langem bestehenden Streit mit den Zeitungsverlegern. Vielmehr hätten die geänderten Nutzungsgewohnheiten eine Überarbeitung nötig gemacht, begründet Christiane Krogmann die Anstrengungen. Die „Tagesschau“-App 2.0 sei die erste News-App, die Videos sowohl hochkant als auch horizontal im gewohnten 16:9-Format zeige, erläutert sie. Die gewichtigste Neuerung ist der Nachrichten-Kurzüberblick in zehn bis 15 Videos. Direkt nach dem Start der App beginnt der automatische Schnelldurchlauf durch die aktuelle Nachrichtenentwicklung. Während im Hintergrund ein kurzes Video oder ein animiertes Foto zu sehen ist, wird das Thema zunächst mit einer knappen Überschrift angerissen. In einem Beispiel lautet die Headline „Bundeswehr braucht mehr Flugkapazitäten“, dazu wird ein startender Transportflieger gezeigt. Die Tonspur enthält zumindest jetzt noch ausschließlich Hintergrundgeräusche, aber keinen Text. Erst wenn man man auf seinem Smartphone auf das Video klickt, öffnet sich der ausführliche Textbericht über „Lufttransport der Bundeswehr: Knebelverträge am Himmel“. Weitere Themen am Starttag waren: Erneute Kämpfe in Aleppo, die letzten Gefangenen von Guantanamo, Hans-Christian Ströbeles Verzicht auf eine weitere Kandidatur.

Neben den Nachrichten der „Tagesschau“ enthält die App die diversen Angebote aus den Regionalausgaben der ARD-Rundfunkanstalten und der „Sportschau“. Die Sortierung kann individuell angepasst werden, die Suche erinnert bewusst an WhatsApp. Zudem können die Sendungen von „Tagesschau“, „Tagesthemen“, „Nachtmagazin“ und „Tagesschau24“ live und auf Abruf angesehen werden.

Spitzengespräch von ARD und BDZV

Das juristische Verfahren geht unterdessen weiter. Nachdem die ARD vor dem BGH und dem Oberlandesgericht unterlegen war, hat der Sender vor dem Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Doch auch eine gütliche Einigung ist weiterhin möglich. Vor einigen Wochen fand ein Spitzengespräch über die öffentlich-rechtlichen Mobilangebote statt. Vonseiten des BDZV hatten daran mit Mathias Döpfner und Helmut Heinen der neue und der alte Präsident des BDZV teilgenommen. Ihnen gegenüber saßen die ARD-Vorsitzende und MDR-Intendantin Karola Wille mit ihren Amtskollegen Lutz Marmor vom NDR – der die Verantwortung für ARD aktuell trägt – und BR-Intendant Ulrich Wilhelm.

In dem Spitzengespräch wurde unter anderem über eine öffentlich-rechtliche Selbstbeschränkung diskutiert. Ob die Verleger gegen die neue App der „Tagesschau“ klagen, hängt somit vom weiteren Fortgang der Gespräche ab. Dabei geht es längst nicht nur um die App der ARD-Hauptnachrichtensendung. Enden die Konsultationen ergebnislos, könnte es auch zu einer Klage gegen die RBB24-App kommen. Ein Verlag soll bereits eine entsprechende Klage vorbereitet haben. Kurt Sagatz

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