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Journalist und Pferdezüchter. Stefan Aust sucht auch in seinem Büro in der Chefredaktion der Tageszeitung „Die Welt“ neue Transportwege für Inhalte. Foto: dpa

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Stefan Aust wird 70: Der Alphajournalist

Er hat mit Ulrike Meinhof gegen Springer demonstriert, war über zehn Jahre "Spiegel"-Chefredakteur und ist nun bei Springers "Welt" angekommen: Stefan Aust – einer der wichtigsten Medienmacher der Republik - wird 70.

Vielleicht spricht es nicht gerade für einen sympathischen Charakter, wenn immer wieder gemunkelt wird, dass Stefan Aust Pferde lieber mag als Menschen. Vielleicht ist es bezeichnend, dass einer der erfolgreichsten und eigensinnigsten Medienmacher der Republik, im Nebenberuf Pferdezüchter, selber sagt, dass es auf jeden Fall auch Pferde und Menschen gebe, die er furchtbar fände. Vielleicht ist es aber ganz einfach so, dass ein Stefan Aust über diesen Dingen steht, er an diesem Freitag durch die meterhohen Glasfenster seines Berliner Büros oben im Axel-Springer-Haus blickt und sich zu seinem 70. Geburtstag sagt: Mensch, Stefan, was habe ich nur geschafft.

Und wie bin ich hierhergekommen. Zusammen mit Ulrike Meinhof hat Aust, der zuvor bei der linksorientierten Zeitschrift „Konkret“ und dem Hamburger Männermagazin „St. Pauli Nachrichten“ arbeitete, im April 1968 in Berlin an der Anti-Springer-Demo teilgenommen. Kurz davor war Austs Freund Rudi Dutschke bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Fast ein halbes Jahrhundert später steht Aust bei Springer als Chefredakteur von WeltN24 unter Vertrag. Auf die Frage der „Zeit“, wer sich im Laufe der Jahre mehr verändert habe, die „Welt“ oder er, antwortet Aust, er habe sich kaum verändert, das glaube er wenigstens. Er wäre auch nicht zu „Konkret“ gegangen, weil er so links war. Als der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer starb, hätte Ulrike Meinhof, damals Kolumnistin bei „Konkret“, zu Aust gesagt: „Jetzt ist dein Vorbild gestorben.“

So ist das also mit den Bildern, Urteilen und Klischees, die man über Stefan Aust im Kopf hat. Halten wir uns an die Fakten, in Kurzform. Am 1. Juli 1946* in Stade geboren, Sohn eines Landwirts, dem Landleben verbunden, ein paar Uni-Vorlesungen in Soziologie, die wilderen Jahre bei „Konkret“, später für das NDR-Magazin „Panorama“ tätig, 1988 Gründung von Spiegel TV, von 1994 bis 2008 Chefredakteur des „Spiegel“.

Spätestens dort, beim „Spiegel“, verdiente sich Aust den Rang eines „Alphajournalisten“ , wie es auch im gleichnamigen Buch aus 2007 über die „Wortführer“ der Berliner Republik in Sachen Aust zum Ausdruck kommt. Mit seinen Reportagen, Filmen und Büchern hat Stefan Aust wichtige Stichworte zur öffentlichen Debatte in Deutschland geliefert. Er deckte als Reporter bei „Panorama“ den Fall des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU) auf, der als Marinerichter kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges fahnenflüchtige Soldaten zum Tode verurteilt hatte. Mit „Baader Meinhof Komplex“ blickte Aust 1985 in die Abgründe der „Roten Armee Fraktion“ und den Kampf gegen den Terrorismus in den „bleiernen“ 70er Jahren. Das Buch wird bis heute neu aufgelegt, wurde auch mit Moritz Bleibtreu und Martina Gedeck verfilmt.

Zuletzt ging der Alphajournalist der rechten Terrorzelle NSU auf die Spur, ein Kapitel, das für Aust nicht abgeschlossen ist. Genauso wenig wie offenbar die Zeit beim großen Hamburger Nachrichtenmagazin, auch wenn Aust Rückkehr-Ambitionen zum „Spiegel“ stets vehement abstreitet. Selten in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein Print-Produkt so sehr mit dem Namen eines Chefredakteurs (und dem seines Herausgebers) identifiziert. Aust übernahm auf Wunsch von „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein 1994 den Posten des Chefredakteurs. Schnell erkannte Aust die Herausforderungen des stürmischen Medienwandels. Wenn es neue Transportmöglichkeiten für Inhalte gebe, müsse man mitmachen, sagt er heute und spricht auch von seinem neuen Job bei Springer. Allerdings erntete Aust mit seinem Führungsstil auch Unmut bei der „Spiegel“-Belegschaft. So entschieden die Gesellschafter, seinen Vertrag Ende 2008 auslaufen zu lassen. Aust stieg 2010 bei N24 ein. Drei Jahre später wurde der Sender von Springer übernommen, Aust wurde Herausgeber der „Welt“-Gruppe. N24 sollte Bewegtbilder für die Online-Angebote liefern.

Seit Januar 2016 ist Aust nun zusätzlich kommissarisch Chefredakteur von WeltN24. Auch dort ist er nicht bei allen Mitarbeitern wohlgelitten. Auch dort kann sich der Journalist und Pferdezüchter mit diesem Satz trösten: „Vielleicht ist es so, dass die Pferde mich lieber mögen.“ Wenn sich der Jubilar denn trösten lassen müsste.

* Stefan Aust wurde 1946, nicht 1940 geboren, wie hier fälschlicher Weise stand. Wir bitten, das Versehen zu entschuldigen.

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