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Im Netz hinken die Banken dem Zeitgeist meilenweit hinterher.

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Social Trading: Onlineplattform ihres Vertrauens

Ayondo oder eToro krempeln Investment- und Kreditgeschäft um. Social Trading will mit Transparenz gewinnen. Das Risiko bleibt.

Vermögensverwalter Stefan Riße hat 1341 Follower. Das verrät sein Onlineprofil, nicht auf Twitter, sondern auf der Social-Trading-Plattform Ayondo. Seine 1341 Anhänger wollen von Rißes Handelsgeschick profitieren – und so selbst Geld verdienen. Das ist die Idee von Social Trading: Aus kundigen Privatleuten können im Netz Tradingstars werden, wenn die Leistung auf ihrem öffentlich einsehbaren Traderprofil die anderen Benutzer überzeugt. Die können dann per Mausklick das eigene Kapital dem Geldmanager ihres Vertrauens zuweisen und kopieren fortan seine Aktivitäten. Eines braucht es bei der neuen Form der Geldanlage nicht: die klassische Hausbank. Sie wird ersetzt durch eine Onlineplattform, die den Kontakt zwischen Anleger und Geldmanager herstellt. „Es ist ein Irrglaube, dass die jungen Menschen ihr Geld so wie wir früher anlegen wollen“, sagte Riße, 46. „Sie sind es gewohnt, alles ins Netz zu tragen, das gilt auch für ihre Bankgeschäfte.“

Im Netz hinken die Banken dem Zeitgeist meilenweit hinterher. Außer Angeboten fürs Onlinebanking hat sich in den letzten Jahren nicht viel getan, egal ob bei Deutscher Bank, Volksbank oder Sparkasse. Das rächt sich nun: Zahlreiche Start-ups machen den Platzhirschen ihre Vorherrschaft streitig und werfen mit ihren Ideen für den Bereich der Finanztechnologie, kurz FinTech, die Banken einfach aus der Geschäftsbeziehung heraus. Investmentplattformen wie Ayondo, eToro oder Wikifolio, die übers Netz Privatleute am heimischen Couchtisch zu Finanzgurus machen können, sind dafür ein Beispiel.

Riße hat seit zehn Monaten ein Benutzerkonto bei Ayondo. Sein Tradingprofil zeigt ihn seriös mit Krawatte und Anzug, darunter beschreibt er seine Handelsstrategie. Riße orientiert sich nicht nur an Indizes wie dem Dax, sondern bezieht auch andere Stimmungsindikatoren ein, steht da zum Beispiel. Dann kommen die harten Zahlen: In Statistiken wird ausgewertet, wie gut Riße mit seinen Anlageentscheidungen lag. Ergebnis: Er hat Erfolg. Und der lockt Nachahmer. Andere Ayondo-Nutzer wollen in ihrem Portfolio seine Trades nachvollziehen. So ist Riße mittlerweile zum Star der Plattform aufgestiegen.

Klar sind dann schnell mal 50 Follower weg

Jede Fehlentscheidung ist öffentlich einsehbar. „Klar sind dann schnell mal 50 Follower weg. Aber den Erfolgsdruck habe ich schon als Vermögensverwalter kennen gelernt“, sagte Riße. Er finde es positiv, eine Performance ausgewiesen zu kriegen. Für ihn ist sein Ayondo-Profil auch im Hauptberuf eine Visitenkarte geworden, für netzaffine Kunden.

Geschäftsführerin Sarah Brylewski sieht mit Plattformen wie Ayondo eine Demokratisierung der Finanzbranche aufziehen. Gegründet wurde der Social-Trading-Bereich von Ayondo 2009 in Frankfurt, damals noch eine Nische. Das ändere sich gerade rasant, so Brylewski. „Die Bankenkrise war ein riesiger Vertrauensbruch, und viele Anleger vertrauen ihrem Bankberater nicht mehr so wie früher. Unsere Kunden wollen stärker mitbestimmen, was mit ihrem Geld passiert.“

Ayondo hat weltweit über 100 000 Nutzer, Kernmarkt ist Deutschland. Im März habe es 1,2 Millionen Transaktionen auf der Plattform gegeben, so Brylewski. Trader und Ayondo verdienen an der Differenz von An- und Verkaufskurs, der Geldbriefspanne. „Traditionellen Banken würde das nicht reichen, da würden noch Ordergebühren anfallen und eine Managementgebühr für den Fondsmanager“, sagte Brylewski. Weil Ayondo weltweit nur 55 Mitarbeiter habe, müsse kein riesiger Apparat im Hintergrund mitfinanziert werden. Damit Ayondo attraktiv ist für Anleger, braucht das Unternehmen Vorzeigeprofile wie das von Riße. Toptrader werden deshalb von Ayondo auch finanziell belohnt und bekommen bessere Konditionen. Sie handeln mit hochspekulativen Differenzkontrakten (CFDs). Damit können Anleger sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse des Basiswerts setzen.

Der Branchenriese in Sachen Social Trading, eToro, zieht das Geschäft noch eine Spur größer auf, sagte Gründer Yoni Assia aus Israel. Seine Plattform zählt 4,5 Millionen Accounts, wichtigster Markt ist Europa. Assia will mit eToro das „weltweit größte soziale Netzwerk für Investment“ aufbauen. Soziale Netzwerke wie Facebook sieht Assia als Wegbereiter für die Idee von eToro. „Anstatt Bilder von deinen Kindern zu teilen, zeigst du auf eToro deine Trades. Die Transparenz und Öffentlichkeit haben heutige Kunden auf sozialen Netzwerken kennen gelernt, und wir bringen sie in den Finanzsektor“, sagte Assia.

Zehn Minuten für einen Onlineantrag

Social Trading ist nur eine Idee, wie die FinTech-Branche umgekrempelt werden kann. Das Start-up Zencap mit Sitz am Berliner Ostkreuz attackiert traditionelle Banken von einer anderen Seite. Auf der Onlineseite von Zencap können kleine und mittelständische Unternehmen mit ihren Ideen Kredite einsammeln. Kreditgeber ist keine Bank. Stattdessen legen mehrere private Investoren zusammen. Haben sich genügend Investoren für ein Projekt gefunden, steht der Deal, und Zencap organisiert den Kreditfluss an das Unternehmen.

„Zencap ist das Ebay für Kredite. Wir nehmen die Bank in der Mitte raus, die braucht man im Internetzeitalter als Vermittler nicht mehr“, sagte Zencap-Gründer Christian Grobe. „Es dauert ewig, als kleiner Mittelständler bei einer Bank einen Kredit zu kriegen.“ Bei Zencap gehe es schneller. Zehn Minuten für einen Onlineantrag, dann maximal 48 Stunden Wartezeit, bis der Antrag von seinen Analysten geprüft worden sei. Fällt die Prüfung positiv aus, darf das Unternehmen sein Vorhaben auf der Zencap-Seite vor möglichen Investoren ausbreiten.

Der Zinssatz wankt je nach Risiko und liegt im Durchschnitt bei sieben Prozent. Start-ups sind von der Finanzierung ausgeschlossen. Investor kann man schon mit 100 Euro Mindestanlagebetrag werden. Das durchschnittliche Portfolio eines Investors ist 4000 Euro schwer und kann auf die Kreditsuchenden der Plattform verteilt werden.

Als die Produktionsfirma des Films „Der perfekte Wurf“ mit Dirk Nowitzki im letzten Sommer 100 000 Euro auf Zencap einsammeln wollte, war der Betrag innerhalb eines Tages finanziert, erinnert sich Grobe. Dennoch schauten seine Investoren genau hin. „Wie sexy das zu finanzierende Unterfangen ist, ist nicht allein entscheidend. Anders als bei Kickstarter suchen die Leute nicht nur ein tolles Projekt, sondern einen überzeugenden Finanzplan.“ Branchenschwerpunkte gibt es deshalb nicht.

Wer ein riskantes Geldgeschäft eingeht, kann auch verlieren

„Zu uns kommen nicht nur Onlineunternehmen. Wir haben auch den Schlosser aus Berlin und das Reiseunternehmen aus Thüringen auf der Plattform“, sagte Grobe. Seit der Gründung im Februar 2014 hat Grobe 350 Kredite vermittelt, nur ein Mal konnte ein Unternehmen nicht zurückzahlen. In solchen Fällen wird nach 30 bis 60 Tagen ein klassisches Insolvenzverfahren eingeleitet über eine Inkassofirma.

Denn egal ob Zencap, eToro oder Ayondo: Die Regeln des Finanzmarkts können auch die jungen Herausforderer der Banken nicht aushebeln. Wer ein riskantes Geldgeschäft eingeht, kann auch verlieren. Das vermeintliche Finanzgenie mit der tadellosen Onlinestatistik kann mal daneben liegen. Auch Gründer Grobe sagt: „Zencap ist nicht die Alternative zum Sparbuch, sondern zu Aktien und Anleihen. Es gibt ein Risiko.“

Angela Gruber

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