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Mensch oder Maschine? Der Revolverheld (Ed Harris, vorne) in der Serie „Westworld“ ist der Wiedergänger des legendären Film-Cowboys Gunslinger aus den 1970er Jahren.

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Serien-Remake "Westworld": Leichen pflastern ihren Weg

Wie entsteht Bewusstsein? Gehen die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine verloren? Im philosophisch ambitionierten Serien-Remake des Film-Klassikers „Westworld“ jagen Touristen Androide.

Was für ein Vergnügungspark: In der Westernstadt „Westworld“ können Besucher am Eingang entscheiden, ob sie die sogenannten „Gastgeber“, das sind menschengleiche Roboter-Wesen, erschießen oder mit ihnen schlafen wollen. Hinterher werden die Roboter von den Parkbetreibern aus dem Wüstenstaub heraus in ein kühles High-Tech-Labor gebracht, geflickt, datentechnisch geleert und neu gestartet, um schon am nächsten Tag wieder von Touristen über den Haufen geschossen zu werden.

Der US-amerikanische Sci-Fi-Film „Westworld“, geschrieben und inszeniert von Bestsellerautor Michael Crichton, von 1973 stellte die Auswüchse der Vergnügungsindustrie an den Pranger, nicht zuletzt in Person des künstlichen Revolverhelden Gunslinger alias Yul Brynner, der aufgrund eines Systemfehlers aus diesem Kreislauf im Park ausbricht und Jagd auf die zahlenden Gäste macht.

Ein zukunftspessimistisches Szenario von einer Gesellschaft, die sich zum Negativen zu entwickeln droht. Mittlerweile, 2016, werden Pakete mit Maschinen ausgeliefert, Autos fahren von alleine, wir reden über den richtigen Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich eine Serie des Stoffes, dieser Dystopie namens „Westworld“ annahm. Es hätte dabei schlechtere treffen können als Jonathan Nolan, steter Co-Autor seines Bruders Christopher („Interstellar“, „Dark Knight“).

Robiter im 3-D-Drucker entstanden, perfekt bis in die Retina geformt

„Westworld“ reloaded – Nolan konzentriert sich in der von HBO produzierten zehnteiligen Serie, die am Montag auf Sky Go gestartet ist, auf den Blickwinkel der „Gastgeber“. Das Robotermädchen Dolores (Evan Rachel Wood) und ihr Vater, ihr Geliebter (James Marsden), die Lebedamen aus dem Saloon, die Bewohner der Westernstadt, sie alle – im 3-D-Drucker entstanden, perfekt bis in die Retina geformt – werden vom gottgleichen Park-Direktor (Anthony Hopkins) und einer skrupellosen Geschäftsführerin (Sidse Babett Knudesen, bekann aus „Borgen“) jeden Morgen neu in die Western-Kulisse gestellt.

Ein Computerspiel, vom virtuellen Raum in die Realität verlagert, gesteuert aus einer Kommandozentrale aus Stahl und Glas. Für die verwöhnten Besucher, die mit der Magnetschwebebahn anreisen und am Eingang des Parks die Wahl haben, ob sie sich einen hellen oder dunklen Hut aufsetzen möchten. Sie bestimmen damit den Charakter ihres Aufenthaltes: Good Guy oder Bad Guy. Mal so richtig die Sau rauslassen.

Das Interessante an dieser Zitate-reichen Hochglanzserie ist, mehr als bei ihrem vordergründigen Kino-Vorgänger aus den 1970er Jahren, die Frage, wie weit die Simulation, die Ähnlichkeit zwischen Mensch und Maschine zu treiben ist. Bei „Westworld“, dem Film, war es ein Systemfehler in den automatisierten Abläufen des Freizeitparks, der Gunslinger Amok laufen und die Zuschauer erschauern lässt. Bei „Westworld“, der Serie, ist es die Frage, ob man Mensch und Roboter überhaupt noch unterscheiden kann, ja, unterscheiden will.

„Bist du echt?“ fragt ein Tourist

Erinnert sei an den Genre-Klassiker „Blade Runner“. Da fragte der Science-Fiction-Autor Philip K. Dick: „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ In „Westworld“ träumen die künstlichen Bewohner des Vergnügungsparks Albträume, die ihnen das tägliche Über-den-Haufen-GeschossenWerden beschert. „Bist du echt?“ fragt ein Tourist eine Mitarbeiterin im Park. „Wenn du es nicht genau sagen kannst, macht es dann überhaupt einen Unterschied?“, fragt der Roboter.

Wenn sich den Robotern in „Westworld“, dem Film, eine Fliege ans Auge näherte, wurde nicht gezuckt. Darauf ist der Androide noch nicht programmiert. 40 Jahre später holt Nolans Regie (Kamera: Paul Cameron) die androiden Gesichter so nah heran, dass das Zucken zu erahnen ist. Die ersten vier Folgen der HBO-Serie deuten an, dass sich die Roboter ihrer selbst vergewissern, sich für mehr interessieren als das, was ihre Software ihnen vorschreibt.

Klar, zeitweise ächzt die Serie unter den bedeutsamen Fragen zur conditio humana, die bei den nächtlichen Wiederherstellungen im Labor zwischen Ingenieur und Roboter verhandelt werden. Was ist real? Wie entsteht Bewusstsein? Gehen die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine verloren? Verkehren sie sich gar? Wieso haben wir, die Menschen, so einen Spaß daran, im Urlaub Maschinen zu quälen, die so aussehen wie Menschen? Was oder wer ist: das Böse?

Es gibt aber auch jede Menge Gewalt und Schießereien. Dafür bringt Nolan den Gunslinger-Part ins Spiel, der schwarze Revolverheld, in der Serie verkörpert von Ed Harris. Der, so viel sei verraten, erschießt die „Gastgeber“ reihenweise. Ist aber kein Roboter, sondern ein Mensch. Wer hat da was falsch gemacht?

„Westworld“, zehnteilige US-Serie auf Sky Go.

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