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Ende einer Drehscheibe. 2014 schloß die letzte Peepshow in Deutschland.

© Tanja Häring

Peepshow-Report: Klappe zu, Affekte tot?

War mal geil: Eine Arte-Doku berichtet „Vom Kommen und Gehen der Peepshows“.

Die Dokumentation aus dem Jahr 2013 wurde 2014 mal im Spätprogramm versendet. Jetzt hat Arte den Film von Matthias Schmidt für Mittwoch um 21 Uhr 45 erneut angesetzt: „Vom Kommen und Gehen der Peepshows“. Schon 2013 konnte das nur ein Abgesang sein, die kommerzielle Schaulust war längst an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen: Die Umsätze waren dramatisch eingebrochen, 2014 schlossen die letzten Peepshows in Deutschland. Da kommt Arte ins Spiel. Kaum ist ein wie auch immer umstrittenes Phänomen vom Erdboden verschwunden und hat sich im Abfall der Kultur-, auf jeden Fall in der Sexualgeschichte abgelagert, fangen die TV-Archäologen an zu graben – und stoßen auf ein veritables „The-show-is-over“-Stück.

Zunächst überrascht die Geschwindigkeit vom Aufstieg und Fall dieses Fastfoods für den Voyeur. Anfangs der 1970er Jahre wurden Striptease und Kabine in New York miteinander kombiniert, das Ausziehen der Frau mit dem Gucken des Mannes. Die Einnahmen der Betreiber müssen gigantisch gewesen sein, eine Peepshow-Arbeiterin konnte in sechs Stunden zwischen 800 und 1000 Dollar verdienen. Der Virus raste um die Welt, 1976 öffnete der erste Laden in München. Die Frauen kamen aus dem Bevölkerungsdurchschnitt, nicht anders die Kunden.

Autor Matthias Schmidt folgt den Entwicklungslinien, er holt Peepshow-Tänzerinnen, er holt Betreiber und einen (!) Kunden, er holt Fachfrauen wie die britische Sexualwissenschaftlerin Katherine Angel und die amerikanische Sozialhistorikerin Kat Long vor die Kamera. Und er vergisst den New Yorker Anwalt Herald P. Fahringer nicht, der nicht nur den „Hustler“-Verleger Larry Flynt vor Gericht verteidigt hat, sondern auch die Institution „Peepshow“. Sie sei Ausdruck des Rechts auf freie Meinungsäußerung, das in der US-Verfassung festgeschrieben sei.

Männer im Phantasialand

Die Karriere der Peepshows war stets mit Anfeindungen verbunden, denn die Abscheu war in dialektischer Weise mit der Faszination daran verbunden. Der Besuch einer Peepshow sei eine Fluchtmöglichkeit ins Phantasialand, sagt eine Stripperin, der größte Andrang war stets nach Weihnachten, nichts Schlimmes stecke in dieser Objektfixierung der Frau, sagt eine andere, es sei kein unangenehmes Geldverdienen. Manche berichten vom Ekel, sich derart prostituieren zu müssen. Eine Wissenschaftlerin schraubt sich zu der Feststellung hoch, der Besuch einer Peepshow sei der Versuch, gegen die Sterblichkeit anzugehen. Na ja, die schnelle, heimliche und kostengünstige Befriedigung von Fantasie und Trieb wird öfter im Vordergrund gestanden haben.

Egal, auch diese Passage zeigt, dass die Dokumentation in zahlreiche Ecken schaut, Vergangenheit und Gegenwart verknüpft, das Unterhaltsame nicht unter dem Tiefgründigen vergräbt.

Auch das gab es: „The Lusty Lady“ in San Francisco, genossenschaftlich betrieben von „sehr starken Feministinnen“, wie eine Genossin erzählt. „The Lusty Lady“ hat länger als andere Peepshows in den USA überlebt, aber aller Genossenschaft zum Trotz musste sie schließen. Nicht anders am Ausgangspunkt, dem Times Square in New York. Nicht die Moral hat der Peepshow den Garaus gemacht, sondern das Geld. Der Unterhaltungsgigant Disney wollte mit seinem Musical „Der König der Löwen“ nur ins jugendfreie Zentrum von „Big Apple“. Also reagierte die Stadtverwaltung, diesen Touristenmagneten wollte sie nicht vergrätzen.

Klappe zu, Affekte tot? Gar nicht. Peeping Tom lebt, nur schaut er nicht mehr durch das Guckloch, sondern in den Bildschirm. Internet kills Peepshow. Doch die ultimative Befriedigung wird sich nie einstellen. Nicht in der analogen Zeit der Kabine, nicht in der digitalen des Streamings.

„Vom Kommen und Gehen der Peepshows“, Arte, Mittwoch, 21 Uhr 45

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