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Noch auf Distanz: Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) weiß nicht so recht, was er von der attraktiven Hackerin Natascha Tretschock (Julia Koschitz) halten soll.

© SR

Neujahres-Tatort aus Saarbrücken: Dystopie zum Auftakt

High-Tech-Waffe: Der Saarländische Rundfunk misstraut im vorletzten "Tatort" mit Devid Striesow selbstfahrenden Autos.

Der Personenwagen der Zukunft ist im wahren Wortsinn ein Automobil, denn es bewegt sich auf Wunsch völlig autonom, auf Autopilot sozusagen. Es ist ein rollender Computer, vollgepackt mit High-Tech, jeder Menge Sensoren und Kameras. Sebastian Feuerbach (Nikolai Kinski) darf bereits heute hinter dem Steuer eines solchen Autos Platz nehmen, denn er fährt einen sogenannten Erlkönig, also ein Auto, das sich noch in der Entwicklung befindet. Für Feuerbach wird das Auto der Zukunft jedoch zur tödlichen Falle, als es mit Vollgas ins Verderben fährt. Mit dieser Dystopie startet der „Tatort“ am 1. Januar in das neue Jahr. „Mord Ex Machina“, so heißt die neue Folge aus Saarbrücken, die zugleich die vorletzte für Devid Striesow als Kommissar Jens Stellbrink ist.

Das Saarland befindet sich im Strukturwandel: Kühle High-Tech-Sachlichkeit trifft auf ausgediente Hochöfen. Apropos heiße Öfen: Bei seinem ersten „Tatort“ für den Saarländischen Rundfunk fuhr Kommissar Stellbrink eine rote Vespa, die hat er inzwischen gegen ein modernes Motorrad ausgetauscht. Geblieben ist nur noch sein Glashaus-Domizil über den Dächern von Saarbrücken.

Wie üblich ermittelt Stellbrink anfangs in alle Richtungen. War es ein Unfall? Selbstmord? Oder doch eine Straftat? Mit dem Titel „Mord Ex Machina“ hat sich der „Tatort“ bereits festgelegt, zumal es beinahe ebenso viele mögliche Motive wie handelnde Personen gibt. Und mit der Hackerin Natascha Tretschock (Julia Koschitz) eine attraktive Verdächtige. Ihr verfällt jeder, der Saarbrücker Kriminalkommissar ist vor ihrem Charme ebenso wenig gefeit wie es der Erlkönig-Fahrer war. Natascha arbeitet mit Nerd Marco (Anton Spieker) zusammen, gemeinsam testen sie Computersysteme im Auftrag von Firmen auf mögliche Schwachstellen. Marco ist über beide Ohren in Natascha verschossen, Eifersucht als Motiv liegt nahe. Und dann gibt es noch den Freund und Start-up-Partner Victor Rousseau (Steve Windolf). Jede Warnung der Öffentlichkeit vor den Gefahren autonomer Fahrzeugsysteme könnte für ihn katastrophale finanzielle Folgen haben.

Das Lernpensum wirkt wie eine Tempobremse

Die Macher des Films – Buch: Hendrik Hölzemann und David Ungureit, Regie: Christian Theede – haben zwar versucht, die komplizierte Thematik möglichst nebenbei in den Dialogen verständlich zu machen, doch vor allem im ersten Drittel des Films wirkt das hohe Lernpensum als heftige Tempobremse. Denn das Volkshochschulprogramm macht nicht bei der an sich schon komplexen Technik halt, auch die gesellschaftspolitische Kritik an den Datenkraken will verpackt werden. „Natürlich hatte Sebastian jede Menge Feinde da draußen, wie ich auch“, erläutert Victor Rousseau, Geschäftsführer des Big-Data-Vermarkters Compact und Freund des Getöteten, die Abneigung vieler Menschen gegenüber den Datenhändlern. Und den Einwand von Jens Stellbrink – „was ist denn so schlimm daran, wenn jemand meine Daten kennt, ich mache ja schließlich nichts falsch“ – kontert der Smart-Manager: „Jeder macht etwas falsch, was Banken und Versicherer gerne wüssten.“ Oder die Polizei und andere staatliche Institutionen, doch das sagt Stellbrink in dem öffentlich-rechtlichen Krimi allerdings nicht.

Fest steht: In der digitalen Welt geht nichts verloren. Anders als beim Saarländischen Rundfunk, der mit Devid Striesow einen Quotengaranten verliert. Nach schleppendem Start vor fünf Jahren wurde das Interesse an seinen „Tatorten“ immer größer: Die Erstausstrahlungen der Stellbrink-Tatorte „Söhne und Väter“, „Totenstille“, „Adams Alptraum“ und „Melinda“ sahen jeweils mehr als neun Millionen Zuschauer bundesweit. Mit den Stellbrink-Folgen erreichte der SR nach eigenen Angaben die höchsten Quoten seit 1993.

Striesows letzter Fall „Der Pakt“ läuft 2019. Die Trennung erfolgt auf Wunsch des Schauspielers, der sich künftig intensiver neuen Herausforderungen und anderen Projekten widmen will. Pläne für die Zeit nach Striesow gibt es beim Saarländischen Rundfunk noch nicht.

„Tatort: Mord Ex Machina“, ARD, Montag, 20 Uhr 15

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